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Leichenberg 07/1995

 

Trauen Sie keiner Krokodilsträne von Verlagen, Lektoren & Co., wenn sie wehklagen, gute Kriminalromane ließen sich nicht verkaufen ! Schließlich sind die Herrschaften selber schuld, wenn sie ihrem angeblich pp. Publikum mit der verlagspolitischen Dampframme immer wieder ins Gehirn hämmern: 'Grimmis' seien Büchlein, wo am Anfang eine Leiche liege, sich später eine hinzugeselle und am Ende alles aufgeklärt werde. Das ganze sei so harmlos wie möglich aufgemacht, spiele am besten in einer Parallelwelt und ist nach der Lektüre sofort zu vergessen. In dieser Manier kommt jetzt auch der Aufbau-Taschenbuch-Verlag mit der Auguste-Didier-Serie von Amy Myers daher. Deren erster Band, Mord im Dienstbotenzimmer dient gar als "Jubiläumsband 50 Jahre Aufbau Verlag". Originell an diesem Heftle ist höchstens, daß der Herr Amateur detektiv diesmal Chefkoch ist - ansonsten spielt die Serie, man wagt es kaum zu verraten, in 'typisch englischen' In- und Exterieurs zu Zeiten Queen Victorias. Von Literatur keine Spur, Konfektion aus dem Schreibautomaten, vermutlich maschinenlesbar. Und wenn ein 'angesehener' Verlag sich selbst mit Literatur-Karaoke feiern will, na denn Prost !

Aber es geht auch anders - dennoch, möchte man fast sagen. Der Verlag Georg Simader riskiert mit Robert Hültners zweitem Buch, Inspektor Kajetan und Die Sache Koslowski eine ganze Menge: Der Autor ist, weil er selbst eine Menge riskiert, nicht perfekt und glatt, sondern zuvörderst poetisch (!) und originell. Einiges klemmt und quietscht noch, aber das kommt wahrscheinlich daher, daß Hültner allzu skrupulös zu Werke geht. Und das ist an sich eine sympathische Eigenschaft. Ob er den Trend zu "historischen Romanen" nutzen kann (das Buch spielt während der Münchner Räterepublik) oder im Trend untergeht, bleibt abzuwarten. Letzteres wäre schade, weil Hültners Bücher quer zu jedem Zeitgeist liegen.

Ebenfalls hoffen läßt ein Debüt aus New York. Gar doppelt hoffen, weil Carol O'Connell die ausgelatschten Trampelpfade des "Frauenkrimis" oder "feministischen Krimis" gar nicht erst betritt, und mit Mallorys Orakel (A. Knaus) einen ziemlich delirant-guten Cop-Roman liefert, der zwar auch seine beträchtlichen Schwächen hat, aber dafür Atmosphäre, einen scharfen Blick und jenes Quentchen Geheimnis und Surrealismus, das richtige Literatur von den Surrogaten unterscheidet. Dringend merken !

Solide abgedreht wie immer, der nächste Band aus Lawrence Blocks New-Yorker-Saga um Matt Scudder. In Der Teufel weiß alles (Haffmans bei Heyne) hängt der Plot ganz, ganz tief, New York und die Köpfe seiner Einwohner allerlei Geschlechts treten immer mehr in der Vordergrud. So lobenswert das auch sonst sein mag, es kommt mir so vor, als ob Block seiner Figuren allmählich müde würde. Dennoch, ein anständiges Buch ist allemal herausgekommen. Weniger anständig ist jedoch, den Band mit einem (unpassenden) Cover zu versehen, das vor nicht allzu langer Zeit ein Buch von Wolfgang Schweiger geschmückt hat. Das gehört (s.o.) in die Abteilung: 'Scheißegal'.

Der Sommerhitze angemessen sonnenstichig halluzinatorisch ist ein weiterer Geniestreich von Marc Behm: Todespoker (Piper): eine Fata Morgana aus den Städten, ein Fiberdelir auf dem flachen Lande. Wenn man in zehn Jahren merken wird, was für ein literarisches Juwel Behm ist, wird man sich die Haare raufen, daß man ihn unter Bergen von Schotter verschüttet hat. Oder es ist wieder ein Autor kaputt gemacht worden.

© Thomas Wörtche

 

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