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Leichenberg 1/1995

 

Über den Umgang deutscher Verlage mit manchen Autoren könnte man heulen vor Wut: Chester Himes zum Beispiel. Gerade hat der kleine Alexander-Verlag mutigerweise eine Neuausgabe, d.h. Neuübersetzung dieses so wichtigen schwarzen Erzählers beschlossen, da ballert Bastei als Billig-Whopper drei Romane von Himes mit scheußlichem Cover, uninformiertem, garantiert gedankenfreiem Nachwort in den alten, dubiosen Übersetzungen unter dem dämlichen Titel "Der Himmel ist schwarz" auf den Markt - als Ramsch. Man nennt sowas Rezeptionsbarriere.

Wie wild werden anscheinend weiterhin die diversen "Frauenkrimis" rezipiert. Das ist einerseits rätselhaft, weil sie durch ihr dröges, langweiliges und zopfiges Erzählen ästhetisch so uninteressant sind wie nur was, andererseits nur zu plausibel, weil sie die Funktion der Courts-Mahler-Romane übernommen haben: Sie liefern Identifikationsmaterial für den schlichten feministischen Geschmack: Ob etablierte Altstars wie Marcia Muller (Wölfe und Kojoten  bei Fischer) und Sue Grafton (Stille Wasser  bei Goldmann) oder Newcomerinnen wie Mary Willis Walker (Raubtierfütterung  bei Goldmann) oder Åsa Nilsonne, der mit Dünner als Blut  (Galgenberg-Krimi bei Rasch und Röhring) immerhin ein Kabinettstückchen der unfreiwilligen Komik gelungen ist - überall herrscht die gleiche wackere Mischung aus funktionslosem Detail und schriftstellerischer Ödnis, solange nur das brave Weltbild stimmt. Wenigstens eine giftige Pointe und Spuren von Witz gönnt sich und uns Nevada Barr. Erschütternd innovativ ist Die Spur der Katze (Haffmans bei Heyne) kein bißchen, aber wenigstens ein bißchen unterhaltsam. Regelrecht spannend hingegen Minette Walters. Ihr zweiter Roman, Die Bildhauerin  (Goldmann), obwohl deutlich, aber eben clever als "Bestseller" kalkuliert, riskiert einen ziemlich deliranten Plot, ist kunstvoll gefügt und folgt keinen allzu offensichtlich klaren ideologischen Trampelpfaden und deren Ableitungen.

Das tut allerdings Jack Curtis, dessen neues Buch, Ruchlos  (Goldmann), mich so wie seine anderen ärgert: Eine wirklich spannende Geschichte, die passagenweise sehr spannend erzählt ist, wird durch Mystipop-Neckereien und Muchomacho-Kitsch unerträglich überlagert. Mystipop, der sich dann schlußendlich zum 1000sten Male wieder als Schizodrama auflöst auch bei Dylan Jones: Dicker als Wasser  (Piper), genau die Sorte Bücher, die man nur dann verlegt, wenn man gar keine Lust mehr hat und eh schon alles egal ist. Konfektion auch bei Haffmans bei Heyne: Mit den Toten in Frieden  von Walter Satterthwait, bewährt robust und nicht weiter aufregend. Ganz und gar nicht weiter aufregend scheint auch zunächst Jean-Jacques Fiechters Roman Manuskript mit Todesfolge  (Elster), ein Buch aus der prätentiösen Welt der hohen Literatur, der schicken, schönen Menschen mit erlesener Seelenlage. Aber die Intrige des Buches ist schlichtweg genial - zwar papiern und realitätsfern, aber gekonnt und diabolisch. So darf ein "postmoderner" l'art pour l'art-Krimi gerne aussehen. Wie ernstzunehmende "Kriminalromane" auf der ästhetischen und intellektuellen Höhe der Zeit allerdings wirklich aussehen können, das zeigt abermals Jerry Oster mit Wenn die Nacht kommt  (rororo).

Die Kluft zwischen Trivialheftchen, Konfektion und dem, was Crime Fiction wirklich sein kann, wird immer grotesker. Und ob man das alles weiterhin unter einem Begriff diskutieren kann und soll, immer fraglicher.

© Thomas Wörtche

 

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