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Wörtches Crime Watch 07/2009

 

Greg Rucka: Ein Job in Taschkent

 

Ein Job in Taschkent

Tara Chace ist Agentin des britischen Geheimdienstes SIS. Eine Topkraft, "Minder One" genannt. Sie ist im operativen Einsatz, sie erledigt das, was ihre Vorgesetzten aus realpolitischen Gründen erledigt haben wollen. Das ist nie schön, meistens blutig. Wenn sich die (bündnis-)politische Großwetterlage dreht, dann ändern sich auch blitzschnell die Vorzeichen von Freund und Feind. Das kann auch passieren, wenn es innenpolitische Verwerfungen gibt, Machtkämpfe innerhalb der Regierung, die auf die Personalpolitik der Geheimdienste Einfluß haben.

So etwas passiert Tara Chace, als sie in Usbekistan eine ziemlich alberne Operation durchziehen soll, um einen anscheinend weniger scheusaligen Diktatorensohn gegen seine extrem machtgierigen Schwester als Nachfolger des amtierenden Scheusals zu positionieren. Die Operation, die komplizierter und tückischer ist als Chace und die Leser erwarten, endet im Gemetzel. Chace selbst wird arg angezählt, gefoltert und mißhandelt. Wieder genesen macht sie sich auf, um ihren privaten Rachefeldzug durchzuziehen (deswegen heißt das Buch im Original auch "Private Wars"), nicht ahnend, daß auch andere ihre Privatsuppe an diesem neuralgischen Punkt der Welt kochen: An der Grenze zu Afghanistan, zu Tadschikistan, mittendrin im Schlamassel der verfahrenen Großmachtpolitik, der Warlords und Opiumbarone.

Tara Chace ist die Heldin des amerikanischen Romanciers und Comic-Szenaristen Greg Rucka, die in dem aktuellen Roman »Ein Job in Taschkent« ihren zweiten, weitaus gelungeneren Auftritt als im Erstling »Dschihad« hat. Rucka hat die Figur der effektiven Agentin, eine Art moderne, ultraharte Modesty Blaise ohne versöhnliche Aspekte, als Action-Heldin aus den Schablonen der Lara-Croft-Computerspiel-Ästhetik herausgeholt und in die Realpolitik unserer Tage hinein montiert. Das funktioniert prächtig, weil hoher Unterhaltungswert, eine starke Frauenfigur und politische Klarsicht hier erfreulich zusammenspielen.

Und weil Rucka an eine wichtige Tradition des Polit-Thrillers anknüpft: Realpolitik ist ein opportunistisches, notfalls verräterisches Geschäft. Seit 1963 John le Carré seinen Spion Alec Leamas aus der Kälte nicht in die Wärme hat zurück kommen lassen, wird diese Tatsache immer wieder im Medium des Polit-Thrillers diskutiert. Die machiavellistische Politik opfert, wenn nötig, ihre eigenen Leute, um geringster Vorteile willen. Daran schließt sich, wie hier bei Rucka, eine meist böse Analyse, eine satirische Attacke oder eine harsche Kritik der Verlogenheit westlicher Politik an. Weil Usbekistan ein geostrategisch wichtiges Stückchen Erde ist, hat auch die von der Bush-Administration gesteuerte Linie exekutiert zu werden - Zusammenarbeit mit jeder Art von Scheusal, Hauptsache es ist "unser" Scheusal.

Seit le Carrés Zeiten haben Polit-Thriller immer wieder mit Vernunftgründen gegen solchen Wahnsinn angeschrieben - eine Linie, die sich bis in die gerade stattfindende Renaissance des nur vermeintlich nach dem Kalten Krieg abgewickelten Genres, also bis zu Autoren wie Robert Littell, Jenny Siler oder Andy McNabb durchzieht. Und die mit Greg Rucka jetzt einen Autor hat, der aus dem immer gefährdeten und bedrohten Helden eine Heldin macht, ohne in die damsel-in-distress-Falle zu laufen. Tara Chace agiert höchst robust, gewalttätig und sexuell autonom - Eigenschaften, die sie auch mit ein paar Figuren aus Greg Ruckas Comic-Universum teilt. Ein Universum starker Frauen aus männlicher Perspektive. Das ist bemerkenswert.

Greg Rucka: Ein Job in Taschkent. (Private Wars, 2005). Thriller. Aus dem Amerikanischen von Philipp Stern. Deutsche Erstausgabe. München: dtv, 2009, dtv Taschenbuch Nr. 21131, 427 S., 8.95 Euro (D).

 

© Thomas Wörtche, 2009

 

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