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Wörtches Crime Watch 06/2002

 

Lisa Kuppler (Hg.): Queer Crime

 

Queer Crime Krimi-Anthologien sind meistens thematisch aufgezogen. Sinnvollerweise, sind doch Themen-Anthologien das einzige Vehikel, um die schöne Gattung der short story am Leben zu erhalten, die ja laut Buchhandel und vorauseilend gehorsamen Verlagen als »schwer gängig« gilt. Niemand weiß aber genau, warum das so sein soll.

Vielleicht haben aber auch die sogenannten und allzu üblichen Schere-und-Klebstoff-Anthologien (drei große Namen und der Rest Unaussprechliches aus der Mottenkiste) ein gewissen Anteil an diesem schlechten Ruf. Wie auch immer, Originalanthologien sind sehr begrüssenswerte Veranstaltungen, vor allem wenn sie so liebevoll zusammengestellt sind wie »Queer Crime. Lesbisch-schwule Krimigeschichten« von der Herausgeberin Lisa Kuppler. Denn short stories sind sehr lesefreundlich, weil häppchenweise zu konsumieren, aber auch ästhetischer Ausweis dessen, was Autoren und -innen wirklich drauf haben, weil konzentriertes, pointiertes Schreiben besonders gekonnt sein will. Das gilt evidentermassen auch für Lisa Kupplers Beiträger, egal, ob schwul, lesbisch oder hetero. Stella Duffy, zum Beispiel, liefert mit »Der Versicherungsmann« ein Highlight der Sammlung - eine miese, realitätstüchtige Geschichte aus dem Star-Milieu in Hollywood, in der eine Nebenfigur des Business sich eine Lebensstellung als Hauptfigur im Leben des Stars er-mordet. Furios und knapp geschrieben und clever getwistet. Ähnlich strukturiert der »Homolulu Wohnungs-Blues« von Martin Arz, dessen Held durch benevolente Morde versucht, den Münchner Wohnungsmarkt ein wenig zu entspannen und dabei durchaus Rückschlage produktiv zu wenden weiß. Sozusagen das schwul-deutsche Gegenstück zu Duffys lesbisch-britischer Vorlage. Wobei Arz problemlos das Niveau bis zum Ende mitgehen kann. Ähnlich auf die schwarzhumorige Pointe - sozusagen der schwarze Faden der ganzen Anthologie - angelegt auch Frank Goykes »Happy Birthday«. Goyke fängt sehr stark an, baut dito stark die Handlung aus, versuppt leider die Pointe und hört wieder stark auf. Die Pointe verschenkt er, weil er einmal zu wenig twistet und seinen Protagonisten genau das tun lässt, was wir alle erwarten, dass er tut. Er hat das Muster zwar verstanden, aber nicht durchgehalten. Ein deutsches Missverständnis?

Es taucht auch in anderen Texten auf. Die sind durchweg detailreich an Milieukenntnissen über schwul-lesbisches Leben und völlig ignorant Realitäten gegenüber, die zwar dito schwul-lesbisch sein können, aber gleichzeitig ganz anders funktionieren. Wie die Polizei. Markus Dullins »Niemandsland«, z.B. gehört in diese Kategorie, Manuela Kays »Scheißbullen« oder Peter Hofmanns »September, tödlich«.

Gemeinsam ist ihnen allen, dass Polizisten und -innen zwar wichtige Figuren sind, die Konflikte aber nur möglich sind, weil die Herrschaften Ordnungsmacht so agieren wie die Pappnasen aus dem deutschen TV-Krimi. Und das muss schiefgehen. Da stolpern Stefan-und-Harry-Pärchen durch die Gegend, da ermittelt eine Kommissarin in einem Fall, in dem sie als Privatperson Zeugin ist, da werden Vernehmungen im Alleingang erledigt - kurz, da scheint die ganze Misere des deutschen Grimmis auf, der meint, man müsse sich nicht um das kümmern, von dem man erzählen will. »Derrick« und »Tatort« und der ganze Schotter mögen zwar als Fernseh-Event camp-Qualitäten haben, als Erzählvorlage sind sie nur schädlich.

Wahrhaft souveräne Erzähler allerdings setzen sich mit Grandezza über solche Klippen hinweg: Carlo de Luxe mit der wunderbar hysterischen Verwirrstory »Yin-Yang Gang-Bang« und Großmeister William Maltese mit dem Schocker »Doppelmörder«. Beides sind zudem Stories in denen das Milieu, in denen sie spielen, konstitutiv wichtig ist und nicht nur die resp. schwul-lesbisch-transsexuelle Kulisse für altbackene Erzählmuster vorgibt. Maltese führt uns raffiniert und wortgewaltig mittels der Erzählperspektive und einer ironisch-makaber gewendeten »Typengleichheit« an der Nase herum, während Carlo de Luxe einen Heidenspaß daran hat, die transgender-Verdrehungen wunderbar und fröhlich kreischend ins Chaos zu treiben. Am Ende kennt sich keiner mehr aus, das ist queer vom Feinsten.

Lisa Kuppler (Hg.): Queer Crime. Lesbisch-schwule Krimigeschichten. Berlin: Querverlag, 2002. 303 Seiten, 15.50 Euro (D)

 

© Thomas Wörtche, 2002

 

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