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Leichenberg 12/1999

 

Letzte Worte zu Kochen & Morden. Was irgendwo und irgendwann mal reizvoll war - bei Johannes Mario Simmel, bei Rex Stout, von mir aus auch noch bei Vazquez Montalbán und ein paar anderen Könnern mehr, wird bei Pfuschern ganz schnell degoutant. Weil voraussehbar: Wenn in einer Restaurantküche eine Aufschnittmaschine steht, dann wird sie auch benutzt, man kann die Uhr danach stellen: In Anthony Bourdains Roman Gaumenkitzel (Goldmann) ist es gleich die ganze Cosa Nostra und das FBI, die sich um ein fragwürdiges gastronomisches Unternehmen names "Dreadnought Grill" (der Name ist noch das Beste) drängeln. Vom Kochen versteht der Autor dann, so zeigt sich, doch weniger, weshalb er bei unappetitlichen Sadismen Zuflucht sucht. Aber Blut ist nicht gleich Blutwurst.

Wichtige Bücher sind auch nicht immer gleich gute Bücher. Wichtig ist Scarface von Armitage Trail (DuMont Noir), weil es die Romanvorlage der Scarface-Filme von Howard Hawks und Brian de Palma ist - wobei letzterer kein bloßes Remake, sondern eine Aktualisierung der ewigen Ballade von Fall und Aufstieg eines Gangsters ist. Als Stück Literatur ist der Roman von Trail (der eigentlich Maurice Coons hieß) aus dem Jahr 1930 eine recht dramaturgielose und unbedarfte Veranstaltung, die mit putzigen Sentenzen über das Wesen von Männer, Gangstern und schlechten Frauen aufwartet. Abgesehen davon, daß Trails impliziter Rassismus so weit geht, daß Organisiertes Verbrechen im Chicago der 20er Jahre als rein weiße Angelegenheit zu betrachten ist, artikuliert das Büchlein doch recht schön den Erkenntnisschock, daß OK, Wirtschaft und Politik in großen Bereichen deckungsgleich sind. Diese Erkenntnis, die Hammett mit seiner "Roten Ernte" schon zwei Jahre vorher in Literatur verwandelt hatte, ist bei Trail noch ungläubiges Staunen. Deswegen ist der Gangster Scarface (eine romantische Ableitung von Alphonse Capote) am Ende auch mausetot.

Aber vermutlich ist ein wichtiges, schlechtes Buch bekömmlicher als ein vor Wichtigkeit vibrierendes schlechtes Buch. Zum Beispiel Leif Davidsons Roman Der Augenblick der Wahrheit (Zsolnay). Die Geschichte vom bösen Ex-Stasi/Ex-KGB-Spion, der seine Untaten immer noch verschleiern möchte und deswegen morden läßt, was Zeug hält, ist so durchsichtig und simpel gestrickt, daß dem Autor gar nichts anderes übrigbleibt, als den Plot von seiner Hauptfigur (einem arg gebeutelten Paparazzo) totplappern zu lassen. Zu jeder Situation die passenden und unpassenden Befindlichkeiten, die er uns in schöner Redundanz um die Ohren knallt. Und am Schluß muß dann der Showdown her, ganz so, wie in jedem Groschenheft. Ach ja, der Anspruch !

Immerhin keinen Anspruch trägt Detlef Bluhms Erstling Das Geheimnis des Hofnarren (G.Kiepenheuer) vor sich her. Abgesehen von ein paar technischen Schwächen (Dialoge, Prosafluß), die ein engagiertes Lektorat hätte ausputzten können, ist Bluhm eine schöne caper novel gelungen, die den anständigen deutschen Bürger bei seinen Lieblingsbeschäftigungen zeigt: Beim Lügen, Betrügen, Klauen, Heucheln und - wenn's der Profitfindung dient - auch beim Morden. Ein stiller, aber sehr boshafter Roman.

 

© Thomas Wörtche, 1999

 

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