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Leichenberg 12/2004

 

 Skorpione im eigenen Saft Antón Astigarra Iramendi war der Vorkoster von Franco. Heute ist er ein baskischer Meisterkoch, ein Monster mit Stil und ein armer Kerl. Juan Bas hat ihn in seinem grandiosen Roman Skorpione im eigenen Saft (Frankfurter Verlagsanstalt) erfunden. Der grösste Tort, den man diesem Buch antun könnte, wäre: Es mit einem der handelsüblichen Morden & Kochen-Schmöker zu verwechseln, die vor einiger Zeit der (haut) goût à la mode waren. Nur weil es darin um ganz und gar wunderbares Essen geht. Aber es geht auch um eine ganz und gar bösartige ETA-Geschichte und um einen sehr plausiblen, wenn auch aus dem Ruder gelaufenen Rachefeldzug. Bas erzählt uns diese Geschichte zudem noch mit erheblichem ästhetischem Mehrwert. Mit blitzartigen satirischen Attacken, mit leicht zynischem Plauderton einerseits und wahren barocken Orgien von derbstem Grobianismus auf hochkultiviertem Niveau, vergnüglichsten Zoten und einem kräftigen Schuß grand guignol andererseits. Ein am Ende in doppeltem Sinn phantastischer Roman.

Nervöse Fische Ebenfalls eine Klasse für sich ist Heinrich Steinfest. Nervöse Fische heisst sein neues Buch (Piper). Mühelos bewegt sich Steinfest vom Surrealen ins allzu Reale und wieder zurück. Der Roman erzählt von eine Leiche, die man im rooftop pool eines Wiener Hochhauses findet. Verblüft muss man feststellen, dass sie zweifelsohne von einem Hai zerfleischt worden ist, der sich allerdings keinesfalls in diesem Pool aufhält. Das ist auf den ersten Blick so bekloppt wie genial auf den zweiten. Denn Steinfests Kunst der mäandernden Abweichung, die selbst Sternes Uncle Toby vor Neid erblassen liesse, führt den erstaunten Leser nicht nur in die seltsamen und merkwürdigen Innenwelten seltsamer und merkwürdiger Menschen, sondern auch in eine Welt unter der Welt. Allerdings sieht dieses unterirdische Wien endlich mal nicht so aus wie ein Remake des Dritten Manns. Und die seltsamen und merkwürdigen Menschen werden plötzlich absolut plausibel. Man ist fast selbst so einer. So vergnüglich, unterhaltsam, intelligent und gegen den Strich gebürstet das alles ist: Steinfests Bücher vertragen keine Leser, die ganz genau wissen, was ein Krimi ist und wie er auszusehen hat. Insofern kann die Lektüre dieses Romans Ihren Vorurteilen ernsthaft schaden!

Farang Als 1988 D.B. Blettenbergs Bangkok-Roman Farang erschien, war von global crime noch nicht die Rede. Naja, in literaricis wenigstens, im damaligen West-Deutschland. Dass Blettenberg damals auch schon längst mit seinen angelsächsischen Kollegen aus der Abteilung Polit-Thriller mithalten konnte, schlug sich in Lobeshymnen und Preisen nieder. Für das ganz breite Publikum schien er immer zu wenig kuschelig zu sein. Heute ist global crime eine richtige Welle geworden, gerade in Deutschland - und insofern ist es nur gut und richtig, dass der Pendragon Verlag peu à peu auch die älteren Bücher von Blettenberg wieder auflegt. Wider den kulturellen Gedächtnisverlust und zu Nutz und Frommen nicht alternder, spannender Lektüre.

Hartes Pflaster Sehr sinnvoll ist in diesem Zusammenhang auch die NOIR-Reihe der Assoziation A, die sich auf den politischen roman noir, den polar aus Frankreich konzentriert und wichtige Bücher dieser Spielart verlegt, die es auf Deutsch noch nie zu lesen gab. Ein Skandalon per se, weil sich dieses Manko auch immer wieder in den unbedarften Schein-Diskussionen um »den Kriminalroman« niederschlägt, als ob Donna Leon das Genre erfunden hätte. Jetzt also Hartes Pflaster von Dominique Manotti von 1995. Ein sehr formstrenger, hochkonzentrierter Roman, der in den 80er spielt, als sich alle Konfliktlagen, die wir heute noch am Wickel haben - Immigrantenelend, Menschen- und Waffenhandel und Profiteure internationalen Zuschnitts - unübersehbar formierten. Merke: Das verstandesgestützte Lesen und Verstehen guter Bücher schützt auch vor politischer Heuchelei, empörtem Prusten und Erstaunen. Hätte man alles längst wissen können!

 

© Thomas Wörtche, 2004

 

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