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Leichenberg 11/1996

 

Gegen die Tristesse der Jahreszeit hilft am besten Lachen. Wer zum Beispiel seinem liebsten Feind zu Weihnachten eine eintunken möchte, der investiere DM 49,80 und verschenke den Bildband Der perfekte Spion. Die Welt der Geheimdienste von H. Keith Melton (Heyne). Schon die niedlichen Vorworte von William Colby (ex CIA-Chef, im Frühjahr '96 einem "Angelunfall" zum Opfer gefallen - auch das ein Lacher) und Oleg Kalugin (ex-KGB) sorgen für größte Heiterkeit. Kein Auge trocken jedoch bleibt bei den putzigen Bildern zu putzigen Kapiteln wie "Armbrüste und Pfeile", "Mordinstrumente" und "Der Erste Weltkrieg" in zehn Zeilen.

Genau so lustig, nur viel unterhaltsamer und kurzweiliger der neue Roman von Frederick Forsyth: Das Schwarze Manifest (C. Bertelsmann). Ex-CIA-Agent rettet beinahe im Alleingang Rußland und damit die Welt vor einem Neuen Faschismus im Jahre 1999. Ein wunderbar delirantes Märchen aus der blühenden Einbildungskraft von Freddie, der versprochen hat, dies sei aber jetzt sein letztes Buch. Möchte nur wissen, wer der Scherzbold war, der den Spruch auf dem Umschlag erfunden hat, Forsyth-Romane seien "minuziös recherchiert" und hätten einen "realistischen Rahmen". Allein die Passagen, die im Berliner Operncafé spielen, sagen alles zu diesem Punkt.

Eher ärgerlich als komisch Die Wunderdroge von Daniel Chavarría (Heyne). Ärgerlich, weil ein paar hübsche erzähltechnische Einfälle sich heillos verwirren; mäßig komisch, weil der Plot (CIA will mit Wunderdroge kubanische und sowjetische Führungspersönlichkeiten geistig verwirren und diskreditieren) vermutlich todernst gemeint und alles in allem nix anderes als vorgestrige, oder sagen wir: altcastristische Propaganda ist.

Interessant, wenn man nicht den propagandistischen Behauptungen erliegt, Serialkiller seien kriminalstatistisch wichtig und Jonathan Demme habe die Serialkiller-Welle ausgelöst (die war nämlich de facto schon vorbei, als das "Schweigen der Lämmer" herauskam) sind die Memoiren, die Serial-Killer-Spezialist John Douglas vom FBI von Mark Olshaker hat aufschreiben lassen: Die Seele des Mörders (HoCa/Spiegel).

Öde und blöde weiterhin die Anwaltsfront, jetzt feministisch gewendet: Lisa Scottolines Die Katze war noch da (Limes) ist der übliche windschlüpfrige, an den Haaren herbeigezogene Unfug, für dessen Existenz es keinen anderen Grund gibt, als daß Anwaltsschwarten eben Konjunktur haben. Aber wir werden auch diesen Trend überleben.

Ein stiller Dauerbrenner sind die Post-Vietnam-Romane von James Crumley, die obstinat immer wieder in einer schwärenden Kardinal-Wunde der USA herumbohren. Tequila-Blues (Goldmann) ist ein typisch Crumley'scher Trip zum Gerattere großkalibriger automatischer Waffen in den Schluchten der Rocky Mountains und den Wüsten längs der mexikanischen Grenze. Monströse Gestalten bevölkern diesen Zuspätwestern, der schnell in Richtung Groteske und Surrealismus abdreht und dann ein paar nette Haken schlägt, die selbst für die ausgebranntesten Veteranen noch ein paar sinnvolle Chancen andeuten.

Die Chance ist für vier durchgeknallte Brits ein genial entworfener Bankraub, bei dem eigentlich niemand zu Schaden kommen soll: Ein weisser Mercedes mit Heckflossen  heißt diese moderne Caper-Novel von James Hawes (Kiepenheuer & Witsch), ein komischer, geschwätziger, lustiger und origineller Monolog über 335 Seiten, der jede Wintertristesse wegkichern hilft.

© Thomas Wörtche

 

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