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Leichenberg 10/1996

 

Es ist nicht unbedingt die Aufgabe von Kriminalliteratur, echte Verbrechen abzubilden und nachzuerzählen. Das können andere sowieso besser: Zum Beispiel Günter Ogger. Dessen neues Buch König Kunde angeschmiert und abserviert (Droemer Knaur) ist ein praktisches, verläßliches und manchmal gar noch untertriebenes Kompendium der täglichen Beutelschneiderei, Ausplünderung, Übervorteilung. Betrügerei, des Trickdiebstahls und der arglistigen Täuschung. Kriminalliteratur vom Feinsten, mit uns allen in den Hauptrollen als Opfer und Täter gleichzeitig. Ein zweites nützliches Vademecum in dieser Richtung ist Schwarzes Geld und weiße Weste. Ganz legal am Fiskus vorbei von Hans-Lothar Merten (Europaverlag), eines jener schicken Bücher, die angeblich eine Schandtat aufdecken wollen, dabei aber Tips geben, wie diese Schandtat am Besten auszuführen ist, diese Tips aber so unpraktikabel anlegen, daß man nichts damit anfangen kann. Natürlich hat man, bis man das gemerkt hat, dem Autor schon sein Geld gegeben. Na also, der Transfer hat funktioniert.

Um schiere Geldgier dreht sich alles in Timothy Watts' Roman Geldgeier (Haffmans bei Heyne), dessen Originaltitel "The Money Lovers" seine Figuren nicht schon vornherein denunziert. "The Money Lovers" ist einer der kleinen, schmutzigen roman noirs, die man schon unter den ganzen Halden der belletristischen Anwalts-, Katzen-und-weiß-der-Geier-was-für-Konzept-Produkten für verschüttet hielt. Es gibt sie also noch: Die genau beobachteten, bösartigen Stücke über die öden US-Provinzen, aus denen die Hauptpersonen dringend entkommen wollen, wofür Geld brauchen. Egal woher.

Ein britisches Gegenstück ist König der Ameisen von Charles Higson (Bastei), der wahrscheinlich völlig spurlos untergehen wird, wenn er nicht bald einen deutschen Verlag findet, der pfleglich mit ihm umgeht. Zwar ist das Ende des Buches unnötig roh, aber bis es so weit ist, liefert Higson eine rasante, plausible Story aus dem britischen Prolo-Milieu, für das (und dessen Pendants allüberall) nur sehr wenige Autoren überhaupt einen Blick, geschweige denn einen angemessenen Zugang haben.

Eine ganze Menge hervorragender Autoren hingegen haben inzwischen Florida zu einem literarisch wohlbestellten Feld gemacht. Zwei neue Florida-Bücher seien an dieser Stelle extra erwähnt: Das Gold der Carmelita von James W. Hall (Heyne), das gemessen an Halls eigenem Standard eher schwach ist: Ein paar sehr ungewöhnliche Charaktere, die er wie immer trefflich zu gestalten weiß, begeben sich auf Schatzsuche nach einem Wrack aus dem 17. Jahrhundert, aber die Story ist lahm, schlaff gebaut und voraussehbar, die exzessiven Gewaltszenen wirken wie überallher zusammengeklaut und dann draufgepappt. Nuja.

Wesentlich interessanter ist da Laurence Shames' melancholisch-komische Mafia-Komödie Sunburn oder Stille Tage in Key West (Europaverlag), ein heiteres Buch über einen verstopften Chihuahua, die Macht des geschriebenen Wortes, das Renterdasein von Cosa-Nostra-Bossen und die bratzende Dummheit ehrgeiziger junger Menschen.

Zum Schluß das Beste: Nazis in der Metro von Didier Daeninckx (transit), ein Buch, das nicht zufällig auf Queneau anspielt und die unappetitlichen Aspekte extrem linker und extrem rechter Ideologien und Ideologen mit dezidiert literarischen Mitteln attackiert. Damit setzt sich Didier Daeninckx einmal mehr zwischen alle politischen Stühle - macht sich aber bei der wichtigsten Gruppe beliebt: Bei Leuten, die gerne gute Bücher lesen.

© Thomas Wörtche

 

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