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Leichenberg 10/2011

 

Rote Spur

Drei Romane in einem - ein Polit-Thriller, ein Country Noir und ein Privatdetektivroman ergeben zusammen Rote Spur von Deon Meyer (Rütten & Loening). 625 Seiten lang Geschichten aus einem faszinierenden Land. Über den Zusammenhang von Diktatoren aus Simbabwe (Mugabe), dem Kongo (Kabila) und Diamanten, von wertvollen Spitzmaulnashörnern, konkurrierenden Geheimdiensten, politisch sich befeindenden Polizeieinheiten, Waffenhandel, Al Qaida, der CIA und dem ganz normalen Organisierten Verbrechen, Busfahrerstreiks, Abrechnungsmodi von Security-Firmen, dem Leben in der Karoo, den verschiedenen Einwandererströmen in die Republik Südafrika, die 2009 heraufdämmernde Fußballweltmeisterschaft und die große Politik. Dieses und noch viel mehr, fügt Deon Meyer mit großer kompositorischer Könnerschaft und Souveränität zu drei Erzählsträngen (siehe oben) die nur sehr locker, aber logisch zwingend miteinander verknüpft sind. Alten Bekannten begegnen wir auch: Lemmer, dem Bodyguard mit dem Gewaltproblem, oder dem Cop Mat Joubert, der den Polizeidienst hingeschmissen hat und sich in der privaten Sicherheitsindustrie versucht. »Rote Spur« bietet alles, was man sich von Kriminalliteratur in the state of art erwarten darf: Facettenreiches Erzählen, Analyse, übersetzt in Handlung und Action, Thrill und changierende moralische Werte, gute Figuren und sinnvolle Dialoge und, garantiert durch formale Brüche, die nötige Skepsis dem Erzählten und dem Erzählen gegenüber. Großartig.

Homicide

Nicht minder großartig, auch wenn es sich um ein "Sachbuch", um true crime pur handelt: Homicide. Ein Jahr auf mörderischen Strassen von David Simon (Kunstmann). Die klassische Reportage aus dem Jahr 1993, die das Jahr 1988 erzählt, in dem der Reporter der Baltimore Sun, David Simon, bei der städtischen Homicide Squad als "Polizeipraktikant" die Fliege an der Wand spielte. Ein Jahr eines nie endenden Kontinuums aus Mord, Blut und Gewalt, gesehen aus der Perspektive der Cops, die damit tagtäglich umgehen müssen. Ein faszinierendes Porträt von Baltimore, der Stadt Edgar Allen Poes und Billie Holidays, und viele faszinierende Porträts von Mord-Ermittlern, Tätern, Opfern, Politikern und allen anderen Gestalten, die aus Mord so eine unendlich komplexe Angelegenheit machen, auch wenn der Täter noch auf der dampfenden Leiche sitzt. Aus »Homicide«, dem Buch, ging später die grandiose Fernsehserie »Homicide« hervor, die man wiederum als Keimzelle von »The Wire« verstehen kann, das überall auf der Welt, nur nicht im deutschen Fernsehen, Triumphe feiert. Unsere Verlagslandschaft, die uns fast 20 Jahre auf das Buch hat warten lassen, ist aber auch nicht viel fixer...

Gar nicht großartig ist leider Luis Sepúlvedas Romänchen Der Schatten dessen, was wir waren (Rotpunktverlag) geraten. Eine peinliche Opa-erzählt-von-Stalingrad-Nummer über drei altgediente linksrevolutionäre Bankräuber, die Godot-mäßig auf den vierten Mann warten und solange ihre Taten und Ansichten zum Chile der Allende- und Pinochet-Zeit zum Besten geben. Alles schlimm, natürlich, aber man hat es schon so oft gehört, dass einem, wenn die ollen Schoten hier auch noch im langweiligen Muchomacho-Modus gereicht werden, schnell die Augen zufallen. Auch die Garnituren aus Lenin-, Stalin- und was-weiß-ich-wer-Sprüchen und Che-Memorabilien wirken eher abtörnend, revolutionär gesehen. Ach, ja...

Geopfert

Ach ja, auch im Falle von Edinburgh. So wie man vor ein paar Jahren auf jeden grenzdebilen Roman, der in Marseille spielte, draufschreiben musste, das sei nun aber der finale Izzo-Nachfolger, sind jetzt Schottland und Edinburgh dran: Alles direkte, einzig legitime und eminente Nachfolger von Ian Rankin. Darunter auch Geopfert von Tony Black (Zsolnay), ein Roman, der sehr komisch ist. Unfreiwillig komisch, grottenschlecht. Man fasst es nicht, was man an Klischees, ungebrochen und ernsthaft, um die Ohren gehauen bekommt: Fiese Russen, schlechte Frauen, Minderjährige fickende Politiker, Prügelbullen und trinkfeste Schotten. Der Held, Angus Dury, ist angeblich völlig heruntergekommen und Spritti, verhaut aber alles, was in seine Nähe kommt, junge scharfe Frauen umschwärmen ihn und zu seinem bösen, bösen Vati ist er auch noch liab, at last. Das Ganze grobschlächtig inszeniert, ausrechenbar und schlichtweg doof.

Zum versöhnlichen Ende noch ein schönes Sachbuch: Monster, Mörder und Mutanten. Eine Geschichte unserer schönsten Alpträume von Stephen T. Asma (Propyläen). Eine vergnüglich zu lesende, eher leichtfüßige Kulturgeschichte, die die diversen Scheusale und Unholde auf ihre geschichtlichen, psychologischen, evolutionären und vor allem: realen Wurzeln zurückverfolgt. Lehrreich und spannend!

 

© Thomas Wörtche, 2011

 

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