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Leichenberg 10/2006

 

Idylle der Hyänen Superlative haben in Literatur-Kritiken nichts zu suchen. Sie sind in der Regel werblich. Gerade wird Friedrich Ani als »der beste deutsche Krimiautor« durch die Blätter getrieben. Wer sagt das, mit welchen Gründen und in welchen Relationen? So etwas ist nur peinlich, vermutlich am peinlichsten für Ani selbst. Zumal dieser flankierende Unfug dazu dient, seinen neuesten Roman Idylle der Hyänen (Zsolnay) PR-mäßig abzusichern. Natürlich ist Ani ein ganz hervorragender Autor, der Roman jedoch ist weniger hervorragend. Ein erschreckend biederes police procedural, das vermittels der Hauptfigur - ein entlaufener Mönch als Mord-Kommissar - bleischwer letzte Dinge, Metaphysik und Transzendenz beackert. Sich also allzu fromm in die zur Zeit grassierende »Spiritualitätswelle« einklinkt. Ein bißchen Kenntnis des Gegenstandsbereiches hätte vielleicht dazu geführt, vor allzu lautem Jubelgeschrei die beiden Malone-Romane von J.W. Rider (»Der Teufel hat viele Masken«, »Der Teufel kennt kein Gesetz«) zur Kenntnis zu nehmen: Um zu sehen, wie gebrochen, ironisch, polyvalent und literarisch trickreich man mit solchen Themenfeldern umgehen kann. Das tangiert Anis Status überhaupt nicht - auch gute Autoren haben mal ein schwächeres Buch »frei« -, holt aber die Diskussion zurück auf den Teppich.

Der Luchs Bißchen Ahnung schadet nie: So ist ohne entsprechende Kenntnis nicht zu verstehen, dass Michael Lawson mit Der Luchs (Blanvalet) einen Polit-Thriller aus dem Geiste des großen Ross Thomas schreiben wollte. Aber was bei dem nur eine Nebenmotiv gewesen wäre - ein Attentat auf den Präsidenten der USA mit Kollateralschaden, der verschleiern soll, dass ein ganz anderes Opfer gemeint war - wird bei Lawson als Clou durchsichtigst ausgewalzt und in knarzender Dramaturgie zum Vortrag gebracht. Allerhöchstens Klippschule.

Immerhin sich selbst treu geblieben ist Robert B. Parker. Endlich dürfen wir ein neues Abenteuer von Spenser, Hawk und Susan Silverman lesen: Die Blonde Witwe (Pendragon). Und als ob die Zeit seit den 70s stehengeblieben wäre, ist alles noch da: Schnelle Dialoge, gute Sprüche, nervender Psycho-Talk, das Gourmet-Gewese und ein paar Brachialitäten am Rande. Sehr nostalgisch, sehr nett.

Vergessene Stimmen Zurück ist auch Harry Bosch im Dienst des LAPD. Vergessene Stimmen heißt der neue Bosch-Roman von Michael Connelly (Heyne) und unterscheidet sich wohltuend von dem ganzen Serial-Killer-Quatsch, an dem sich leider auch Connelly in letzter Zeit beiteiligt hatte. Hier geht es um die spannende Arbeit einer sog. Cold-Case-Unit, also einer Abteilung, die »kalte« Fälle wieder aufnimmt. Und so kann Connelly wunderbar seine Stärken ausspielen: Die genaue Kenntnis von Polizei-Arbeit und vom Funktionieren von Polizei im Spannungsfeld von Politik und konkreter sozialer Wirklichkeit. Spannung, die nicht von cheap thrills kommt, sondern aus dem ganz Konkreten. So soll es sein.

Das Highlight des Monats aber ist John le Carrés Geheime Melodie (List). Ein maliziös-angriffslustiger Roman über die Ausplünderung des Kongo, der nicht im Kongo spielt. Ein Roman über als Menschenfreunde getarnte Profitgeier und ein Roman über Dinge, die wir nicht hören wollen. Deswegen auch ein Roman übers Abhören und Weghören. Über die Heuchelei unserer offiziellen Politik, ob Großbritannien oder Deutschland ist völlig egal. Über den Mißbrauch von Schlagworten wie Demokratisierung und Stabilisierung, wo doch nur der ungehinderte Zugriff auf Ressourcen, wie auf das für Handys unverzichtbare Coltan, gemeint ist. Und über die diabolischen Möglichkeiten völlig legaler bürokratischer Verfahren. Ein unschöner, ein grandioser Roman.

 

© Thomas Wörtche, 2006

 

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