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Leichenberg 09/1998

 

Viren-Thriller, wie alle Romane, die sich über "Themen" definieren, lassen das Schlimmste befürchten, vor allem, seit sich auch die Schreibfabrik P. CORNWALL & Co. draufgesetzt hat. Umso erstaunlicher, weil recht unaufgeregt und zumindest über weite Strecke plausibel Omega  von Patrick Lynch (Limes). Klar, zur Literatur reicht's nicht ganz, aber sehr wohl zur schnell infektiösen Unterhaltung mit Paranoia-Effekt. Und die darf man gegen die Pharma-Industrie ja gefälligst haben.

Serial Killer sind auch nicht mehr, was sie mal waren in allerlei blutrünstigen Schwarten. Statt dessen tauchen sie jetzt vermehrt in Konstellationen auf, in denen sie schon in den 20er und 30er Jahren realiter recht nützliche Gesellen waren: Funktional in größeren politischen Zusammenhängen. Erinnern wir uns an die Weimarer Republik, in der die Herrschaften Haarmann und Kürten der Legislative unter heftiger Mitwirkung der Massenmedien (Stichwort: moral panic) die idealen Vorlagen für solche Gesetzeswerke geliefert haben, die prompt auf 1933 und die Folgen hinausliefen. Pavel Kohout ("Sternstunde der Mörder") und Eoin McNamee ("Belfaster Auferstehung") hatten schon 1994 die Idee, den Serial Killer derart als politische Funktion zu untersuchen. Jetzt zieht Supermegagigaaction-Krawallnick Jon Land nach: Die Mauern von Jericho  (Bastei) heißt seine Variation des Themas. Israelische und palästinensische Hardliner wollen den Friedensprozeß untergraben und schicken einem Echt- einen Fake-Killer hinterher, der unliebsame Politikos abräumt. Natürlich rettet ein dito gemischtes israelisch/palästinensisches Cop-Duo dann doch den Verhandlungsfrieden. Bis es soweit ist, läßt es Land zwar in bewährter Manier krachen, aber dennoch ist das Buch nicht ganz  blöd. Und das ist viel für ihn.

Ein wenig literarischer als Land geht Donald James ein ähnliches Thema an: In einem leicht futuristischen Moskau (ein Bürgerkrieg post Jelzin hat schon stattgefunden), das knapp vor der Machtergreifung eines neuen Tyrannen steht, scheint ein irrer Serial Killer zu metzeln. Das ist politisch arg willkommen, egal, was wirklich dahintersteckt. Moskauer Roulette  (List) besticht vor allem durch alptraumartige Szenen aus einem verzweifelt verrotteten Land, in dem alle Strukturen gegen "Demokratie" zu sprechen scheinen. Ein extrem spannendes Buch, das jeden Vergleich mit Richard Harris' neuem Werk Aurora  (Heyne) aushält. Nach dem enttäuschenden Enigma ist Harris ein vorzüglicher Polit-Thriller gelungen, der sich mit den unerfreulichen Optionen befaßt, die daraus entstehen, daß Väterchen Stalin einen Sohn, einen Thronfolger hinterlassen hat. Stalinisten gibt's wahrlich genug in Rußland, und so hebt ein fröhliches Jagen an nach dem Herrn Sohn. Erfreulich sind die indirekten Miniauftritte von B. Jelzin ("-hick!-") am Telefon.

Überwiegend erfreulich ein bedächtiger und genauer Polizei-Roman aus Schweden: Die fünfte Frau  von Henning Mankell (Zsolnay). Zwar schreckt er nicht vor erzähltechnischen Tölpeleien zurück (eine Figur beschreibt sich, in dem sie in den Spiegel blickt). Aber wie Kommissar Wallander und seine Crew Stückchen für Stückchen einer sehr merkwürdigen Mordserie auflösen und dabei von Sackgasse zu Sackgasse traben, das ist schon sehr fein gemacht.

Rundum erfreulich schließlich Paco Taibos mörderische und zerfledderte Liebeserklärung an Mexiko City, Olga Forever  (Nautilus). Taibo schreibt hier als Frau; und natürlich schreibt diese Frau einen Roman über einen Kerl wie Taibo. Lustig und intelligent!

© Thomas Wörtche

 

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