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Leichenberg 09/2002

 

Bücher, die auf dem Markt kein Erfolg sind, müssen deshalb nicht automatisch gut sein. Und solche, die Erfolg haben, müssen auch nicht automatisch schlecht sein. So einfach wollen wir uns die Welt nicht machen. Aber es gibt Bücher, die sind rasend erfolgreich und so gruselig Garnichts, dass man schon ins Grübeln gerät. Ein solcher Fall ist Das letzte Opfer von Petra Hammesfahr (Wunderlich). Ein im ganz technisch-literarischen Sinn verworrenes Stück über einen Serial Killer, eine arme damsel in distress (in der Rolle schreiben anscheinend Frauen am liebsten über Frauen, wenn sie erfolgreich sein wollen, interessant!) und einen »Sonderermittler« des BKA. Dialoge, in denen alle Personen ununterscheidbar gleich sprechen, Erzählperspektiven, die nicht aufgehen, Stoff- und Bildreservoir stammen direkt von Profiler-Legenden der schlechten amerikanischen Machart und kein Klischee (auch kein sprachliches) bleibt aussen vor. Das Grübeln gilt weniger dem Buch, weil solche Schmonzetten halt seit Urzeiten so sind, wie sie sind, sondern eher dem Leser-Bedürfnis, dem so ein Zeug entgegenkommt. Naja, der Markt macht's, und manches, wie zum Beispiel Qualität und Geschmack, macht er manchmal auch zur Sau.

Dabei gibt es doch gerade auch für den harmloseren und dennoch gediegenen Geschmack schöne Alternativ-Produkte: Zum Beispiel die rundum netten, charmanten und liebenswerten Abenteuer von Honoré Langustier, dem Zweiten Hofküchenmeister von Friedrich II. Dessen kriminalistischer Taten zweiten Teil erzählt uns Tom Wolf unter dem Titel Purpurrot. Tödliche Passion (Berlin Krimi Verlag). Vom 18. Jahrhundert versteht Wolf eine ganze Menge, dito vom Essen (und dessen historischer Ausprägung) und vom Berlin dieser Zeit, wo Typen wie Leonhard Euler, Julien Offray de La Mettrie, Pierre Louis Moreau de Maupertuis und natürlich Monsieur Voltaire einem auf Schritt und Tritt begegnen konnten. Das ist mit viel Esprit gemacht und unterhält adrett. Ob's den »Krimi« dazu braucht, nu, das ist eigentlich auch nicht sehr wichtig.

Nochmal Berlin. Diesmal in den Jahren 1944 und 1945. Da soll der SS-Sturmbannführer Kalterer eine Mordserie aufklären, die ein aus dem KZ Buchenwald entkommener Häftling an seinen Peinigern exekutiert. Wer übrig bleibt, hat recht heisst der glücklicherweise auf den letzten Metern mit einem groben Schuss Zynismus gerettete Roman von Richard Birkefeld & Göran Hachmeister (Eichborn). Der schöne Schuss besteht in der Wendung, dass es natürlich um etwas anderes geht, als einen Mörder im Staat der Mörder dingfest zu machen und dass sich die ganzen unappetitlichen Herrschaften nach dem Krieg wiedertreffen. Säuberlich quotiert in den beiden Nachfolgestaaten. Damit toppen Birkefeld & Hachmeister die beiden Muster ihres Projektes: »The Murder of Frau Schultz« von J. Madison Davis und »Sternstunde der Mörder« von Pavel Kohout, die vor Jahren ähnliche Stoffe abgehandelt hatten.

Und noch was Lustiges aus deutscher Feder: Eine alte Dame ging Hering von Rich Schwab (KiWi), die Fortsetzung von Nie wieder Apfelkorn (1992), mit dem nostalgischen Datum 1980. Sex'n Drugs & Rock'n Roll, gerade für ältere Menschen eine hübsche Kriminalgeschichte über Fußball, Südfrankreich, geschlechtliche Wirrnisse und Köln. Ach ja ...

Der Klassiker des Monats ist aber, trotz seines arg zeitbedingten Weltbilds, Der lombardische Kurier von Giorgio Scerbanenco (Kreymayr & Scheriau) - eine ganz intensive, grimmige und kantige Studie über Mailand im Nebel und schlimm verdrehte Menschen.

 

© Thomas Wörtche, 2002

 

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