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Leichenberg 08/1999

 

Florida ist anscheinend auch nicht mehr, was es mal war. Zumindest als Schauplatz von Kriminalromanen. Lange perdu die Zeiten, als Carl Hiaasen den amerikanischen Neurosenkatalog anhand des Sun State vorführte: Mit Gift, Galle und bösem Witz. Seit er ein veritabler Bestseller mit dem üblichen Verfilmungslorbeer geworden ist ("Striptease"), werden seine Romane immer ausrechenbarer und deswegen erheblich weniger sprengkräftig. Aus der einst knallharten Polizeireporterin Edna Buchanan vom Miami Herald ist eine zahme Verfassserin von erschütternd ungelenken und zahnlosen Romanen geworden. Auch James W. Hall schraubt sich allmählich zu unsinnigen Megaplots auf, während Carolina Garcia Aguilera dem Mittelstandsgezicke des internationalen "Frauenkrimis" obliegt. Ein wenig Hoffnung für den Schauplatz Florida (einschließlich der Keys) durfte man vor ein paar Jahren hegen, als Laurence Shames mit Sunburn oder Stille Tage in Key West einen neuen Farbtupfer setzte. Seine Bücher über pensionierte Mafiosi aus New York, die ihre morschen Knochen in der südlichen Sonne wärmen, hatten eine gewisse, schön herzlose Melancholie. Aber ach, der Fluch der Formel! Und so ist sein neues Buch, Die Freunde der russischen Oper (Manhattan), zwar wieder von durchweg liebenwerten Figuren bevölkert ("die Guten"), während "die Bösen" reine Sowjet-Karikaturen aus dem Kalten Krieg sind: Mies, häßlich, bratzdumm, brutal und ohne jeden Hauch einer Chance gegen die Amis (auch wenn die natürlich keine WASPSs sind). Nix gegen Karikaturen, und wenn es dabei alte KPdSU-Fredies erwischt, bin ich der letzte, der sich darüber beklagt. Aber die schlaffe, lustlose, bis auf den Millimeter vorhersagbare Handlung plus krude Xenophobie, das muß man einfach nicht haben.

Etwas arg dick die Vorschußlorbeeren für einen Florida-Newcomer: Allan Pedrazas und sein Erstling Kein Trinkgeld für Harry (rororo). Auf der positiven Seite stehen die Hauptfigur Harry (Barbesitzer und Gelegenheitsdetektiv) und seine Sidekicks aus der Gastronomie, der flotte Plauderton, der eher routiniert denn originell ist (aber immerhin) nebst ein paar schönen wisecracks. Auf der negativen steht der angeblich (laut blurb) von Janwillem van de Wetering so hoch gelobte Plot. Nee, das nun nicht. Der ist nämlich an den Haaren herbeigezogen, unplausibel (mal wieder die Geschichte von der Mörderin, die den Detektiv aus letztlich hanebüchenen Gründen engagiert und becirct) und von einer derart neandertalesken Misogynie, die schon wieder die politisch noch korrektere Position wider den politsch korrekten Feminismus zu sein scheint. An diesem Punkt ist Mr. Pedrazas albern, sonst vielleicht ausbaufähig.

Stocksolide und teilweise richtig gut ein älteres Werk von Walter Satterthwait, aus der Zeit, als er noch Joshua Croft-Romane geschrieben hat. Eine Blume in der Wüste (Haffmans) stammt aus dem Jahr 1992, ist aber noch taufrisch und behandelt das damals virulente Thema "Kinderschänden" mit Klugheit und Intelligenz, was bis heute Seltenheitswert hat. Es wäre falsch, Satterthwaits Croft-Romane nur als Fingerübungen für die späteren, erfolgreicheren ironischen Historien-&-Celebrity-Thriller abzutun. Cum grano salis haben sie vielleicht sogar mehr Substanz.

Immer rätselhafter werden Michael Dibdins Aurelio-Zen-Bücher. Das neueste, Schwarzer Trüffel (Goldmann), ist ein Alptraum um Trüffel, Weinbau, Tod und Wahrheit, wobei letztere maliziöserweise auf der Strecke bleibt. Kein schönes Buch, aber ein faszinierendes.

 

© Thomas Wörtche, 1999

 

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