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Leichenberg 08/2000

 

Science Fiction ohne kleine grünen Männchen finde ich ehrlich gesagt ziemlich dröge. Politthriller mit kleinen grünen Männchen würde ich vermutlich albern finden, wenn es sie denn gäbe. Stattdessen aber gibt es Kleine grüne Männchen von Christopher Buckley (Goldmann), einen sehr komischen Polithriller mit unsäglich albernen kleinen grünen Männchen, die gar keine sind, und noch alberneren Politikern, Gläubigen, Radikalen, Rednecks, Russen, Journalisten, Geheimdienstlern und Militärs. Buckley, ein erstaunlich humorbegabter Republikaner und ehemaliger Redenschreiber für Bush sen., enthüllt alles, was es über fliegende Untertassen, entführte Hinterwälder und indiskrete Unterleibsspiegelungen zu wissen gibt. Natürlich waren das Geheimdienst-Tricks aus Kalten Zeiten, um Uncle Joe alias Stalin glauben zu machen, von den Aliens zu lernen heisse siegen lernen. Leider hat sich der damit befasste Geheimdienste verselbständigt, weil selbst der Präsident der US von A nichts davon wissen darf. Denn der könnte ja ein liberales Weichei sein. Und jetzt haben wir den Salat. Die Angelegenheit kommt ans mediale Licht, und die Grundfesten der Weltmacht Nummer 1 geraten erheblich ins Wanken. Wiehernde Lesefreude ist garantiert - im Zeitalter der X-Files der absolut sinnvolle Umgang mit "Phänomenen".

Ein Phänomen ist auch der dringende Wille deutscher Autoren, hinter internationalen Bestsellerformeln herzuschreiben. Daraus ergibt sich folgendes Kalkül: "In" ist Berlin, schön abverkäuflich historische Romane, bewährt und weltläufig immer noch britische Agenten. Dazu ein wenig Androgynes und Isherwoodeskes, Kokain und Dekadenz - kurz das ganze Cabaretmässige das wieder bruchlos zum Berlinischen führt. Ergebnis: Im Dunkel Berlins von Manfred Lührs (Reclam Leipzig). Dagegen ist natürlich im Grunde nix zu sagen, aber bei allem internationalen Geplustere folgt dann - bautz - die Erklärungsdampframme für's pp deutsche Publikum: Wie im Schulfunk bekommen wir auf S. 306f erklärt, dass die Reichswehr in den 20er Jahren mit der Sowjets geturtelt hat (Ehrlich ? Sach' Du ma!), und: "Und weil Nelly das gewusst hatte, hatte sie sterben müssen."

Chile, für die Jüngeren unter unseren Lesern sei's noch mal geklagt, hatte es ja auch nicht leicht - Pinochet, die alte Ranzbacke und so weiter. Auch im Neoliberalismus brummt zwar die Wirtschaft weiter (Stichwort: Rüstung), und die alten Bonzen sitzen immer noch an den Hebeln. Aber immerhin ist heutzutage ein Typ wie Heredia möglich, der Privatdetektiv in Ramón Díaz Eterovics Roman Engel und Einsame (Diogenes). Heredia und der Fall seiner toten Herzensfreundin, den er immer mit seinem Kater Simenon (Stichwort: raffinierte Anspielungen) bespricht, ist eine fast zur Karikatur überzeichnete melancholisch-pathetische Ballade über Suff, schäbige Strassen und das, was ein Mann tun muss. Allerdings überpudert die Überzeichnung ein wenig die ätzende Realitätstüchtigkeit des Plots. Deswegen könnte man sagen: Von zuviel Puderzucker kann's einem auch übel werden.

Übel vor Panik wird es Ben Forbes, der gerackelten Hauptfigur von Jerry Osters neuem Roman Versuchung in Rot (Rowohlt), als er eine nackte weibliche Leiche im Bad findet. Interessant sind die Veränderungen, die Osters Romane durchgemacht haben, seit er direkt für seinen deutschen Verlag schreibt: Das polyphone Patchwork seiner früheren New York-Romane ist einer nüchterneren, straighteren Erzählhandlung gewichen, Autobiographisches lugt durch alle Ritzen, die Stories werden privater. Das heisst nicht, dass der "neue Oster" schlechter ist. Er ist nur anders - und insofern auch wieder neu zu entdecken.

 

© Thomas Wörtche, 2000

 

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