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Leichenberg 07/1997

 

Nach UFOs, "Jason Dark" und "Akte X" mußte es ja kommen: New Age im Spionageroman, das Jenseits plappert in die Realpolitik. Und Spione sind endlich wieder gepflegte Gentlemen von Geschmack und Bildung, Melancholie und einem Hauch von Tragik. Fast wäre ich sogar versucht, den Roman Der Dichter und der Spion von Liaty Pisani (Diogenes) als perfide Parodie auf Polit-Thriller der Gutsherren-Art zu lesen, aber der gehobene Frauenzeitschriften-Stil der italienischen Autorin ist denn doch zu apart, zu cultivé, um den ganzen Fidelwipp über die Ustica-Affäre, die bösen Regierungen, die hartnäckig verbergen wollen, was jeder weiß (daß 1981 die Nato statt libyscher Schurken versehentlich ein Passagierflugzeug abgeschossen hat) und die Stimmen aus dem Jenseits nicht nur lächerlich zu finden. Subdiskutabel. Dabei ist gegen ein bißchen Snobismus und evasives Feiern von Lebensart gar nichts einzuwenden. Trüffel-Träume von Peter Mayle (Droemer Knaur) ist so ein Fall. Ein selbstironisches, ganz und gar unglaubwürdiges Märchen aus der Provence, das nichts anderes will als charmant unterhalten. Allein die Idee mit den schwulen, verfressenen Mönchlein, die ein illegitimes Kloster zur Profitmaximierung und Hebung des Lebensstils unterhalten, gibt die Richtung des Romans an: Lob und Preis der Wollust. Und das ist okay.

Der erfreuliche Boom erfreulicher Kriminalliteratur, der in den letzten Jahren im United Kingdom zu beobachten ist, hat einen neuen, sehr smypathischen Märchenerzähler hervorgebracht: John Baker, dessen erster Roman über die reichlich abgedrehte Privatdetektei von Sam Turner in York so intelligent und witzig und leicht gemacht ist, daß auch Leser, die nicht Bob-Dylan-Fans sind (den hört Turner nämlich pausenlos), ihre Freude daran haben. Intelligent ist die Kunst, ein Märchen in einem Hier und Jetzt anzusiedeln, das glaubwürdig und stimmig ist, obwohl ein Happy End dringend wünschenswert erscheint. Also wird es auch geliefert. Ins offene Messer (rororo) heißt das lustige kleine Meisterwerk, das Baker auch als beachtlichen Schriftsteller zeigt.

Natürlich hängen an jedem Boom auch die Trittbrettfahrer und Pilot-Fischlein, die ihren epigonalen Trend-Plunder an den Markt zu bringen versuchen. Bei Neil Tidmarshs Buch Der Zwinger (Ullstein) gibt es wenigstens noch ein paar solide handwerkliche Hinweise auf die Kunst des Bilderfälschens und ein paar starke Szenen (z.B. eine schöne Paraphrase auf die blutrünstigen Actionspektakel von La Fura dels Baus, die hier Luskadi Matuzcoa heißen und statt aus Katalonien aus dem Baskenland kommen). Aber ansonsten ist der Roman eine überkonstruierte Läppischkeit aus der britischen Kunstszene, die so abendfüllend auch nicht ist. Ebenfalls in Londoner artsy-fartsy-Kreisen spielt das dito Buch von Lauren M. Henderson, Die Skulptur (Heyne), das vornehmlich und keinesfalls ironisch mit Markennamen um sich wirft, als seien die 80er noch nicht vorbei. Warum da wer von wem ermordet wird, ach ja, wen interessiert's?

Ein ganz klein wenig überladen mit New-Age-Schnuckeleien ist Sonnenzeichen von Rudolfo Anaya (Knaur), der allerdings durchaus kritisch zu unterscheiden weiß zwischen modischem Unfug und den diversen Traditionen (der indianischen, hispanischen und spanischen Art), die in New Mexico noch wirksam sind. Anaya ist bekanntlich der Altmeister der Chicano-Literatur und Sonnenzeichen erzählt vielschichtig, böse und sentimental von faszinierenden Menschen und üblen Zuständen im Südwesten der USA.

© Thomas Wörtche

 

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