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Leichenberg 06/1999

 

Kunst hebt. Denken jedenfalls eine ganze Menge von Kriminalschriftstellern und sitzen dem Trugschluß auf, ein Kriminalroman mit möglichst viel Kulturgut drin sei womöglich besonders wertvoll. Deswegen schnalzte man auch verdächtig einträchtig mit der Zunge, als Nino Filastò mit seinen Kunst'n Crime-Schmökern auftauchte, die auch noch - das kennt der Studienrat - in der Toscana spielen. Die Nacht der Schwarzen Rosen  (Aufbau) strickt weiter an diesem Muster. Diesmal hat Filastò Modigliani-Skulputuren am Wickel, der aber eher wirr als verwickelt ist. Und außerdem eitel, geschwätzig, zäh und ohne jede Art von Spannung. Kunst hebt nicht immer, manchmal zieht sie auch hinab.

Hinab ziehen auch die eingezogenen Wertewelten des weißen, aufstrebenden Mittelstandes, die zunehmend in US-Thrillern die moralische Normativität abgeben. Ein prächtiges Beispiel dafür ist Karen Kijewskis neuer Kat-Colorado-Roman Kats Blues  (Heyne). Vergessen wir mal den durchsichtigen Plot (Versicherungsheini bringt Ex-Mormonen-Mädchen um, was nach der Exposition schon klar ist) und schauen uns Kijewskis Wertewelt an: Moralisch verworfen ist natürlich, wer in einem Striplokal arbeitet (was allein noch hinginge) und fette Speckeier zum Frühstück ißt. Knapp (aber nur sehr knapp) nach Mord auf der Todsündenskala kommt Rauchen, und das endgültig walt-disneyisierte Las Vegas ist Sodom und Gomorrha in einer Person. Tipper Gore ist überall.

Seltsam: Der Fledermausmann  von Jo Nesbø (Ullstein). Harry Hole, Kripomann aus Oslo kommt wg. Amtshilfe nach Sydney, um dort eher bürokratische Formalia im Fall einer ermordeten Norwegerin zu bearbeiten. Deswegen hebt das Buch an wie ein braver Reiseführer und ist ebenso spannend. Dann stellt sich heraus, daß ein (na?) Serialkiller umgeht und unser Norweger kein unproblematischer Gesell ist. An diesen Stellen bekommt der Roman eine kräftige Noir-Tönung. Dann wird ein transsexueller Artist namens Otto Rehagel, sorry, Rechtnagel, gehäckselt und die Angelegenheit spielt ins Slashige, bevor der Unhold mittels Verzehr durch triumphant grinsenden Raubfisch abgeräumt wird. Das gehört dann in die Kategorie "albern". Was sagt man zu so einem Teil? Das auch noch passagenweise spannend gemacht ist, aber kein Klischeenäpfchen ausläßt? Vermutlich folgt das Buch dem Marketing -Konzept des "Drei Bücher zum Preis von einem". Schade.

Nicht schade ist jeder einzelne Pfennig der happigen DM 45.- für John le Carrés neues Meisterwerk Single & Single  (KiWi). Selbst bloß für das erste Kapitel wäre das nicht zu viel Kohle. In einer Sergio-Leone- haften Detaileinstellung (ein Mann starrt in die Mündung einer Pistole) exponiert le Carré sämtliche Konfliktstellungen des Romans. Das merkt man natürlich erst am Ende dieses extrem unterhaltsam-nihilistischen Buches, in dem sämtliche mühsam gebastelten Tröstungen über die schöne neue Waren-Welt und deren Profiteure demontiert werden. Gegen-Kitsch allerdings kommt nicht auf. An dem Bankhaus Single & Single, London, das alles, aber auch alles finanziert, was Gewinn bringt, und letztlich über die Expansions- und Übernahmegelüste einer russischen Partnerorganisation stolpert, demonstriert le Carré das große transzendentale Nichts. Das ergibt sich, wenn man hinter all dem einen Sinn sucht, der mehr sein soll als banale menschliche Gier. Nach dem wütenden Schneider von Panama  einer weiteres Buch, das Mr. Cornwell auf dem erfreulichen Weg zur Altersradikalität zeigt. Als Stück Literatur zudem ein Meisterwerk an Komposition und Prosa.

© Thomas Wörtche

 

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