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Leichenberg 06/1998

 

Heiligt der gute Zweck schlechte Bücher? O grausame Welt, er tut es nicht. Es ist schlimm genug, daß in Afrika Elefanten und andere Tiere des Profits wegen abgeschlachtet werden, aber 212 Seiten aneinandergereihte Sätze von der Qualität: "Wilderer setzten mit langen Sprüngen über eine Felsplatte. Ein Feuerstoß fegte sie in den Abgrund", helfen den armen Viechern nun wirklich nicht. Eberhard Hiob, dessen "Thriller" Unternehmen Elfenbein  (Rasch & Röhring) ich meine, wird im Klappentext als jemand vorgestellt, der sich mit Diavorträgen "für die Tiere Afrikas einsetzt". Das ist schön und gut und wichtig, das soll er auch bitte weiter tun.

Vermutlich gibt es keinen vernünftigen weltanschaulichen oder ästhetischen Grund, die immer leicht angesnobten Südfrankreich-Märchen von Peter Mayle gutzufinden. Cézanne gesucht!  (Blessing), sein neuestes Werk, spielt in der schnieken Welt der Kunsthändler und Feinschmecker und dreht sich, ach, um einen verschwundenen Cézanne, nette Fälscher und untalentierte Killer. Mayle bringt es aber fertig, all diesen Unsinn so federleicht, so nett, so sympathisch zu Papier zu bringen, daß man ganz dringend nix wie in die Provence und sich die Wampe vollfressen möchte. Wenn das Wort "Urlaubslektüre" je Sinn machte, dann hier.

Kein bißchen Glamour bietet Deckname Markus. Spionage im ZK  von Reinhard Borgmann und Jochen Staadt (:Transit). Ein knochentrockenes, bisweilen auch hilflos geschriebenes, aber blendend recherchiertes Buch über zwei Topagentinnen der CIA im ZK der DDR. Nix mit flotten Agentenabenteuern. Zwei biedere Handwerkerinnen lieferten hochbrisanten Kleinkram aus dem Büroalltag des ZK, und aus diesem ganzen Wust wurden "Erkenntnisse" zusammengebaut. Ein Buch darüber, wie zäh und unspektakulär Spionage in den allermeisten Fällen wirklich geht und warum die meisten Leuten doch lieber James Bond bei der Arbeit zuschauen. Eine Empfehlung für alle, die sich für Realitäten interessieren.

Eine Empfehlung für alle, die immer mal wieder gucken wollen, was es schon lange gibt, bevor sie den neuesten Unfug gutfinden, sind die wunderbaren Romane von Arthur W. Upfield, die Goldmann häppchenweise wieder unters Lesevolk streut. Eben gerade "Winds of Evil" von 1937, unter dem Titel Bony stellt eine Falle . Ein doch recht unbehagliches Buch über einen serial killer, das schon damals auf der Höhe des Diskurses von heute über diese reizende Spezies war. Man neigt dazu, Upfield wegen seines sorgfältig pinselnden Stils zu unterschätzen oder für altbacken zu halten - mir ist das selbst passiert -, aber hat man ihn einmal kapiert, macht er süchtig wie Simenon. Und in diese Spielklasse gehört er auch.

Nicht alle neuen serial-killer-Romane müssen schlecht sein. Zu den fünf oder sechs guten der letzten zehn Jahre ist ein sogar sehr guter dazugekommen: Der Poet  von Michael Connelly (Heyne), für den man durchaus auch mal DM 39,80 ausgeben kann. Connelly hält Blutströme und Schlachteplatten erfreulich in Grenzen und findet eine sehr intelligente Lösung für die Tatsache, daß literarische serial killer, echte serial killer, die reale Medienresonanz auf literarische und echte serial killer und die professionelle polizeiliche Bearbeitung von echten serial killern - zudem wenn sie in Literatur oder Film dargestellt wird, - grundsätzlich und immer allesamt miteinander zu tun haben. Connellys Roman ist ein brillanter Versuch über die Heisenberg'sche Unschärferelation und obendrein auch noch rasend spannender Roman.

© Thomas Wörtche

 

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