legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 06/2001

 

Nach all den Berlin-noir-noir -noir-Romanen endlich mal ein heiterer lebensfroher Thriller aus Milliarden-weg-City: Michael Merschmeiers zweiter Krimi: Frölichs Träume (Eichborn). Sein erster, Berliner Blut wurde dunnemals von allerlei Kritikerhäme verfolgt, was aber nur hiess, dass Merschmeier manche Platzkarnickel der Szene mit Blattschuss erlegt hatte. Das wird ihm hier wieder passieren, denn allzu fröhlich macht er sich über Medienmenschen, Politikos, Restaurateure und andere Biester lustig, die das Städtchen so bevölkern. Ein Schlüssel-Märchen mit Mord, sozusagen.

Ganz andere lustige Qualitäten hat Der Einspruch von Alan Jacobson (Heyne), schon allein wegen der netten Stilblüten bei der Übersetzung: »Die Geschworenen setzten sich aus sieben Frauen und fünf Männern zusammen. Ihrer Volkszugehörigkeit nach bestanden sie aus einem Asiaten, fünf Afroamerikanern, einem Spanier und fünf Kaukasiern.« Und das in Kalifornien. Ansonsten habe ich selten ein Buch gelesen, das so emsig auf die Schlusspointe hinarbeitet, dass ihm der Schweiss auf der Stirn steht.

Richtig spannend dagegen ist Die Spur der Füchsin von David Pascoe (Bastei), ein traditioneller man-on-the-run-Stoff, nur dass eine Frau auf der Flucht ist und sich schwer was einfallen lassen muss, um die Kerle aufs Kreuz zu legen. Dazu kommen noch alle Paranoia, die man gegenüber britischen Obrigkeiten hegen soll, und ein paar liebevoll gepinselte Scheusale - und ab geht die Post. Ein schneller, kleiner Roman, der sich höchstens an ein paar Stellen zuviel literarische Ambitionitis leistet.

Ein Problem, das Jean-Patrick Manchette nie hatte. In der schönen Neu-Edition bei Distel ist jetzt Fatal erschienen, ein Musterbeispiel für Manchettes Kunst der Reduktion, der Verknappung, der Ästhetik der »leeren Zwischenräume«, die der Leser ausfüllen muss. Und ein frühes Exemplar der literarischen Reihe der Killerinnen. Die Blödelfrage der 90er Jahre, ob Frauen anders morden, stellt sich natürlich nicht. Es handelt sich um Literatur.

Nobody is perfect, das ist das einzige Problem vom Jeffery Deavers Roman Die Tränen des Teufels (Goldmann). Der Superhyperoberduperschurke ist nämlich viel zu perfekt und ausserdem zu blödsinnig motiviert: Der Verbrecher als Künstler. Aber abgesehen von dieser Macke ist Deavers Roman Action pur. Und grandios gemacht. Ein feines Ensemble von Figuren, bei denen die Einteilung in Haupt- und Nebenfiguren schon die erste Falle für den Leser ist. Kunstvoll miteinander verwobene Erzählstränge, die viel enger verzahnt sind, als die Technik der miteinander verwobenen Erzählstränge gemeinhin wirklich einlöst. Dauertwists in der Handlung nach dem Prinzip der russischen Holzpuppen, spannende Einsichten in die Arbeit von Urkunden-Spezialisten, Drive und Tempo, retarierdende Momente und die Spannung der eingefrorenen Situationen. Keinerlei andere Ansprüche ausser der l`art pour l`art des Suspense, auf die Deaver sorgfältigste Detailarbeit verwendet. Eben fast, s.o., perfekt.

Bleibt nur noch der Hinweis auf einen der Klassiker: Georges Simenons berühmtes schmales Büchlein von 1945, Der Bericht des Polizisten, das bei Diogenes wieder erhältlich ist. Ein Meisterwerk an psychologischer Prägnanz und erzählerischer Ökonomie in Sachen Schauplatz und Figuren. Statt »creative writing« sollte »Simenon« Unterrichtsfach sein.

 

© Thomas Wörtche, 2001

 

« Leichenberg 05/2001 zurück zum Index Leichenberg 07/2001 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen