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Leichenberg 05/1998

 

Ausgerechnet der stets auf feine literarische Qualität erpichte Berlin Verlag liefert den Heuler der Saison: Es war einmal in Deutschland , ein "Polit-Thriller" von Werner Sonne und Mort Ehudin, gegen den sich Schillers "Geisterseher" wie die Avantgarde des Genres ausnimmt. Wunderbare Klippschul-Dialoge, eine Handlungsführung wie bei den "Kleinen Geschichten von Yes", aber nicht so kompliziert. Kurz, jetzt schon ein Klassiker der unfreiwilligen Komik. Mit DM 44.- natürlich leicht überteuert.

Richtig feiner Trash dagegen ist Das Medusa-Projekt  von John J. Nance (Scherz): Mad Scientist bedroht post mortem die Welt mit einem Gigaatomschlag und einer obersuperfiesen elektromagnetischen Welle, die alle (alle!) Silikonchips zerstören wird. Klasse! Es tobt ein Hurrikan (der schlimmste, den wir je hatten), und die Höllenmaschine schlingert an Bord eines klapprigen Fliegers. Klar, daß man sie auch nicht einfach abstellen kann. Und der Schikanen mehr, mehr...

Aus dem Hause Scherz auch ein solider und wackerer Anwaltsschmöker, was erstaunlich genug ist: Der Richter  von Steve Martini. Literarisch ist er nicht sonderlich bemerkenswert, bietet aber immerhin ein paar intelligente Einblicke in die politische Feinmechanik einer Stadt, irgendwo und überall in den USA.

Arg bieder, aber sympathisch ein preisgünstiger Doppelwhopper mit Steven Womacks so liab'm PI Harry J. Denton: Totenblues und Brandstifterboogie  (Knaur). Zwei Klassen besser ein weiterer Band (chronologisch vor den schon erschienenen) aus Stuart Kaminskys Lieberman-Serie: Liebermans Wahnsinn  (Ullstein). Die beiden schlagkräftigen Knorpelsäcke Lieberman und Hanrahan sind wunderbare Führer durch die diversen Vorstädte von Chicago und deren ethnischen Veränderungen.

Noch ein billiger Doppelwhopper, diesmal von Paula Gosling: Ein echtes Gaunerstück und Der Polizistenkiller  (rororo), beides älterer Titel. Immerhin, man sieht mal wieder: Wenn Gosling schwach ist, ist sie sehr schwach; wenn gut, dann sehr gut. Deswegen braucht man eigentlich nur den Polizistenkiller noch mal zu lesen. Und man soll Gosling nicht einfach abschreiben.

Einen Krimi, der eigentlich keiner, aber doch einer ist, aber auch wieder nicht und dann doch, hat Peter Ustinov geschrieben: Monsieur René  (KiWi), ein kluges Buch über die Macht und die kriminelle Energie von Empfangschefs, Oberkellnern und anderen Potentaten in Genfer (!) Luxushotels. Und für eine wohlformulierte Bosheit opfert Ustinov bekanntlich jeden Anstand ...

Immer abgedrehter wird William Marshall: Hongkongcrash  (Rotbuch) spielt kurz vor der Übergabe der Kronkolonie im Juli '97. Die Morde und Prüfungen, die den Jungs vom Yellowthread-Street-Revier auferlegt werden, scheinen überiridisch. Den Subtext geben diesmal "Assault" und "Dark Star" von John Carpenter ab, und man kann unmöglich erklären, was das mit philippinischen Zauberern und irdischen Börsengeschäften zu tun hat. Eine Menge jedenfalls.

Ganz anders Jerry Osters Sturz ins Dunkel  (rororo): An der Oberfläche ein beinahe simpel gebauter, klassischer Whodunit, ohne großen Überraschungseffekt. Die Überraschungen finden im Innern der Figuren statt und in der Inszenierung von Oster: Eine Art babylonische Kommunikationslosigkeit, wo dauernd "mal darüber" geredet, geplappert und monologisiert wird. Aber wehe, wenn mit Worten wirklich etwas bewirkt werden soll...

© Thomas Wörtche

 

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