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Leichenberg 4/1995

 

Eigentlich schade: Ich lerne ja gerne etwas über Gegenden, die ich nicht kenne. Zum Beispiel über die Färöer. Aber wenn ich Jógvan Isaksen und seinem Roman Mild ist die färöische Sommernacht (Petterson) glauben soll, dann sind die Leute dort damit beschäftigt, möglichst viel Schnaps und Bier in sich hineinzuschütten. Sonst scheint nicht viel los zu sein, denn für den "ersten färöischen Kriminalroman" mußte Isaksen gleich ganz tief in die Märchenkiste greifen und irgendwelche Altnazis ein finsteres Rankünenwerk über die unwirtlichen Inseln ziehen lassen. Suff und Dollerei ergeben in diesem Fall ziemlich sehr unbedarfte "Literatur".

Unbedarftes Schreiben ist auch das Problem des Schweizers Augusto Vassalli. Seine finstere Story über Organhandel, lateinamerikanische Militärdiktaturen, die böse CIA und das Gute im Menschen prätendiert stilistisch den nüchternen Blick auf die schlimme Welt, ächzt und knarzt aber vor unplausiblen Konstruktionen und letztendlich vor Dritt-Welt-Klischees der ödesten Sorte. Generalsjagd (Schweizer Verlagshaus) ist jedoch auch abseits von Inhalt und Ideologie einfach ein schwaches Buch. Überzeugender ein anderer Schweizer: Peter Hörner. Sein Roman Seifengold (Limmat Verlag), der in Kenia spielt, leidet höchstens unter ein paar Manierismen (der Autor will unbedingt 'hohe Literatur' abliefern), hat aber eine intelligente Handlung, ein paar hübsche formale Ideen und vor allem ein deutliches Interesse an echten, lebendigen Figuren.

Apropos Afrika: Einen Klassiker hat Diogenes wieder ausgegraben: Flamingofeder von Laurens van der Post aus dem Jahre 1955. Ein Polit-Thriller mit Abenteuerelementen, der noch den naiven Charme von John Buchan einerseits hat, andererseits einen frühen, engagierten, wenn auch politisch dito naiven bis fatalen Furor wider die Scheußlichkeit der Apartheid artikuliert. Aber die Kraft der poetischen Sequenzen ist auch nach vierzig Jahren noch hypnotisch.

Hypnotisch ist auch der neue Roman von David L. Lindsey: Dunkles Leuchten (Blanvalet). Auf seine Devianz-Thriller konnte ich schon immer gut verzichten, auf einen Superschurken hätte auch er hier gut verzichten können, aber die Irrwege der Handlung sind ihm fantastisch gut gelungen. Dunkles Leuchten ist ein Bürokratiethriller von kafkaesker Dimension.

Apropos Superschurke: Es wurde mal Zeit, daß jemand das Prinzip "Pfusch" auch auf diese Spezies anwendet. Der schlecht angezogene George Wettling (kleiner Scherz für Jazz-Freaks am Rande) in Jon A. Jacksons Hundsgemein  (Goldmann) hat nicht die geringste Chance gegen Sergeant Fang Mulheisen aus Detroit, der mit seinem zweiten Auftritt anfängt, interesant zu werden. Hundsgemein, schäbig und widerwärtig ist auch das ganze Personal von Daniel Woodrell. Und Zoff für die Bosse (Haffmans bei Heyne) ist ein hundsgemeiner, widerwärtiger, schäbiger kleiner Roman - die Sorte Buch, die es in der allgemeinen Megalomanie und Bestseller-Fabrikation leider kaum noch gibt.

Auch das ganz Andere hat seine Qualitäten: Der Sammler von Chistine Orban (Aufbau), eher eine schlanke, konzentrierte Novelle im Geiste Maupassants - ohne Sensation, ohne Thrill, bewußt anachronistisch, aber gerade deswegen faszinierend. Nicht vergessen werden soll auch das Buch für alle Leute, die die Schnauze voll haben von unschuldigen Kinderlein: Von fremder Kinder Hand  (Diogenes) ist das passende Antidot gegen diese Welle, Robert Richardson einmal mehr ein vorzüglicher Autor.

© Thomas Wörtche

 

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