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Leichenberg 04/2009

 

Eine Kiste explodierender Mangos

Die Älteren unter uns erinnern sich sicher noch gerne an General Mohammed Zia-ul-Haq. Ein ziemlich apartes Scheusal, von 1977 bis 1988 Staatschef von Pakistan. Eine Kreatur der CIA, und insofern ein natürlicher Feind des KGB, wenn es solche klaren Verhältnisse je gegeben hätte. Seinen Vorgänger Bhutto (père) ließ er hinrichten, er selbst stürzte am 17. August 1988 mit seinem Flieger und Mann und Maus ab. Ursache unbekannt, aber natürlich war ein Attentat die naheliegende Erklärung. Und bot Nahrung für jede Art von Verschwörungstheorie. Jetzt enthüllt uns der pakistanische Schriftsteller Mohammed Hanif endlich, was den General damals wirklich getötet hat: Eine Kiste explodierender Mangos (A1 Verlag), wie ein bisher unbekannter Überlebender des Crashs berichtet. Oder war alles doch ganz anders? Eine sehr komische, sehr intelligente Verschwörungstheorie-Satire, die man auch als auf andere wohlbekannte Scheusale unserer Zeit gemünzt lesen kann und soll. Ein schön verzwirbelter komischer Polit-Thriller mit einer für uns anderen, spannenden und faszinierenden Sicht auf die Welt.

Grundsolide ist die Weltsicht von Michael Connelly und seinem Helden Harry Bosch. In Echo Park (Heyne), einem Stadtteil von Los Angeles, ist die Welt natürlich nicht schön, genausowenig wie überall sonst in der Megacity und Alt-Cop Harry Bosch führt wie immer seine Kämpfe gegen ehrgeizige Politiker und korrupte Cops. Und diesmal gegen einen viel zu eifrig geständigen Serialkiller, der zudem noch einen Mord auf sich nimmt, den er nie und nimmer begangen haben kann. Grundsolide ist Connellys Roman deswegen, weil er in seiner Paranoia und seinem realitätstüchtigen Blick auf die Welt wenig Überraschungen und wenig ästhetischen Aufwand zu bieten hat.

Der Täuscher

Dass auch der abwegigste Dreh, die irrwitzigste Wendung, der ausgekochteste twist gar nichts Ungewöhnliches mehr sind, daran ist Jeffery Deaver inzwischen selber schuld, weil er seit Jahren und Jahren seine Romane nach dieser Masche strickt. Glücklicherweise tut er das so intelligent, dass man ihm gerne durch die Achterbahn seiner Plots, Sub- und Counterplots folgt. Diesmal, in Der Täuscher (Blanvalet), geht es um ein Standard-Thema der letzten Zeit, um "Identitätsdiebstahl" wie z.B. bei T.C. Boyles »Talk talk« oder Charles den Tex' »Die Zelle« auch. Bei Deaver müssen Lincoln Rhyme und Amelia Sachs diesmal lernen, dass Staat und Privatwirtschaft in Sachen Sammeln, Horten und notfalls Missbrauchen von Daten fröhlich gemeinsame Sache machen. Dass einer sich dann da noch dranhängt, um zu serialkillen und Sündenböcke aufzubauen, die von ihm ablenken sollen, ist dann schon wieder fast naiv. Denn die Sammler, Beobachter und Überwacher, die uns aus dem Dunkeln nicht aus den Augen lassen, sind recht eigentlich die wirklich schlimmen Finger.

Prompt gibt es das passende Sachbuch zum Roman: Es heisst Mensch. Nummer. Datensatz. Unsere Lust an totaler Kontrolle. (Residenz Verlag). Verfasser Hans G. Zeger geht davon aus, dass wir inzwischen in der "Antimoderne" leben, die Individualität und indivuelle Rechte als "bedrohlich" empfindet und Macht und Kontrolle über formalisierte und standardisierte "Geschäftsprozesse" ausübt. Die aber basieren auf Daten. Menschen werden so über Daten definiert - und vielen Menschen gefällt das, weil sie sich in einer überschaubaren Welt wähnen (wollen). Ein kluges Buch über die totale Überwachung, Kontrolle und den alltäglichen Irrwitz, der grusliger ist als alle Gruselschwarten zusammen. Ein gnadenlos wichtiges Buch!

Inspektor Kajetan kehrt zurück

Gnadenlos gut waren auch schon immer die Inspektor-Kajetan-Romane von Robert Hültner. Das waren sie schon zu einer Zeit, als weder die "Regio"-Schiene noch der "historische Grimmi" Marketingkonzepte für Belangloskeiten waren. Hültners Romane um den Münchner Kommissar zu Anfang des letzten Jahrhunderts sind einfach sehr gute Kriminalromane. Und unbeirrt von allem zeitgeistigen Gedödel gibt es jetzt ein neues Buch: Inspektor Kajetan kehrt zurück (btb). Denn in den Nachwehen der gescheiterten Münchner Räterepublik musste Kajetan vor den Nazis und anderen nationalistischen Platzhirschen untertauchen, am besten für tot gehalten werden. Das wäre auch beinahe gelungen, wenn er nicht in eine andere Feme-Kiste gerutscht wäre, die mit der KPD, allerlei Spitzeln, Gegenspitzeln und politischem Gesocks zu tun hat. Auch auf der Alm, muss er lernen, gibt's viel Sünd - und Hültners Porträt des Lebens im Gebirge vor der totalen Technisierung ist eindrücklich, faszinierend, lehrreich und ganz und gar spannend. So wie das ganze Buch.

 

© Thomas Wörtche, 2009

 

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