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Leichenberg 04/2004

 

Cupido Und wieder einmal kreist der Medien-Hype und ballert das Marketing aus allen Rohren und deutet Ungeheueres an: Cupido von Jilliane Hoffman (Wunderlich). Grausam, überraschend, diabolisch: »Es war. Es ist. Es tötet.« heisst der erschröckliche Werbespruch, und so machte man sich zumindest auf eine weitere Drehung der Überbietungsschraube gefasst, die Mo Hayder & Co. vor ein paar Jahren in Gang gesetzt hatten - noch blutiger, noch mehr serial-killer, jetzt auch mit Nekrophilie. Aber weit gefehlt. Cupido ist bloss ein absolut durchschnittlicher serial-killer- und Vergewaltiger-Roman. Letzteres ist nur deshalb bemerkenswert, weil einlässlich dargestelllte, man möchte fast sagen: liebevoll ausgepinselte Vergewaltigungen der neueste taste-of-the-year zu werden drohen. Und selbstverständlich werden sich immer Leute finden, die darin eine besondere Hinneigung zu den Opfern sehen möchten, wo doch nur mehr Schauder und Thrill gemeint sind. Anyway, »Cupido« auf jeden Fall ist durchschnittlich solide, durchschnittlich lächerlich (am Ende entkommt natürlich die Heldin dem Unhold, dem noch nie, nie, nie jemand entkommen konnte, mit einer durchschnittlichen Tölpelnummer) und durchschnittlich voraussehbar. Deutlich ein computerlesbares Buch und damit basta!

 Die Geliebte des Pilatus Keineswegs durchschnittlich sind die historischen Thriller von Gisbert Haefs. So auch Die Geliebte des Pilatus (btb). Zeit: 33 n. Chr. Ort: Die arabische Halbinsel und der Nahe Osten. Die welthistorischen Ereignisse dort waren damals noch nicht als solche erkennbar, und spielen bei Haefs deswegen auch nur eine bescheidene Nebenrolle. Hauptsächlich erzählt er von einer gewissen Grossmacht, die ihre internen Machtkämpfe auch in den letzten Winkeln ihres Reiches austrägt. Herausgekommen ist dabei ein feiner Polit-Thriller, komplex, raffiniert, um die Ecke denkend und deutlich eine intelligente Leserschaft heischend, die sich an Sprachgewalt, Esprit und schierem historischen Wissen erfreuen kann. Bleibt nur zu hoffen, dass die matschige Pappmaché-Flut dumpfer pseudo-historischer Schinken, die ungebrochen über uns kommt, diesen Solitair des Genres nicht erstickt.

Tod eines Bankiers Und wenn die allgemein beliebte Prosa doch mehr und mehr zu schlichten, simplen oder auch doofen Formen des Erzählens neigt, dann kann immer noch die graphic novel in die Bresche springen. Matthias Gnehms erster Teil seiner Trilogie Tod eines Bankiers (Edition Moderne) ist so ein Fall. Intelligente, atemberaubend gute Bilder, klug geschnittene Sequenzen und eine gemeine, abgezockte und ausgekochte Handlung aus der Welt der schweizerischen Hochfinanz sorgen neben einigen sehr interessanten Ideen für wahrhaft spannende Lektüre mit ästhetisch-opulentem Surplus. »Seriöse« Comics sind ja angeblich schwer ins Hintertreffen geraten. Das darf aber einfach nicht sein, das tangiert nämlich unsere Lebensqualität.

In Wien läuft, leider nur noch bis zum 24. April, eine wunderbare Ausstellung: Kosher Nostra. Ein zweibändiger Katalog (Jüdisches Museum Wien) dokumentiert die gerne etwas unterschätzte Rolle der jüdischen Gangster (zwischen 1890 und 1980) in den USA. Wunderbare Porträts aller einschlägigen Grössen von Arnold Rothstein bis Meyer Lansky, die der Ausstellungsmacher Oz Almog gemalt hat, ergänzen die ungemein inspirierende Lektüre auf Schönste. Unbedingt besorgen!

Und wer ein bisschen mehr über James Graham Ballard wissen will, diesen grandiosen britischen Autor, der auf sämtlichen Grenzlinien der Genres herumtanzt, dabei aber immer grosse Literatur macht, der besorge sich Michael K. Iwoleits schönen Aufsatz Mythen der nahen Zukunft in dem Sammelband Das Science Fiction Jahr 2004 (Heyne). Nicht von SF verwirren lassen, Ballard hat frostige, kristallklare Kriminalromane und -erzählungen geschrieben, die wahrlich cool sind, durchaus im Sinne von Miles Davis.

 

© Thomas Wörtche, 2004

 

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