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Leichenberg 04/2002

 

Vor sieben Jahren, am 4. Februar 1995, ist Patricia Highsmith gestorben. Jetzt hat der DiogenesVerlag eine Werkausgabe gestartet, die endlich auch bislang unveröffentlichte Kurz-Geschichten mit einschliesst. Die stille Mitte der Welt heisst eine erste Auswahl, die zudem mit einem klugen Nachwort von Paul Ingendaay und einem Editionsbericht von Anna von Planta ausgestattet ist. So soll es sein. Die Highsmith, so musste man in den letzten Wochen immer wieder lesen, sei keine typische Thriller-Autorin gewesen, sondern etwas Besseres. Das ist natürlich Unfug. Die Highsmith hat Kriminalliteratur vom Feinsten geschrieben. Die Art von Kriminalliteratur, die Grimmis literaturhistorisch erledigt hat. Wie man hier sehr schön nachlesen kann.

Allerfeinste Literatur kommt, wie man überall sonst auf der Welt schon lange weiss, von Bill James. Hierzulande war ein einziger Titel von ihm irgendwann bei Ullstein sang- und klanglos untergegurgelt, jetzt gibt Rotbuch James unglaublichem und undurchsichtigen Duo Assistant Chief Constabler Desmond Iles und Detective Chief Superintendent Colin Harpur eine neue Chance. Mit Rivalen soll der Beginn der ganzen Reihe gemacht werden. Hoffen wir's, denn James' Polizeiromane aus der englischen Provinz sind dermassen cool, abgezockt, intelligent und mit geradezu byzantinischer Wollust an der gemeinen Intrige geschrieben, dass sie schon eine sehr qualifizierte Leserschaft erfordern. Und witzig sind die Biester auch noch.

Witz ist auch die vorzüglichste Eigenschaft des grossen katalanischen Romanciers Eduardo Mendoza. Wortwitz, Sprachwitz, esprit, wit in allen Aggregatzuständen, auf allen Textebenen machen Niemand im Damensalon (Suhrkamp) zu einem würdigen Nachfolger von Mendozas erstem Slapstick-Thriller Das Geheimnis der verhexten Krypta (1978), dessen Hauptperson, eben jener Niemand, auch diesmal wieder haarsträubende Abenteuer überstehen muss. Am besten gefällt mir Mendozas Umgang mit dem Häkel-Krimi. Als alles hoffnungslos miteinander verhäkelt ist, lässt der Autor zur Waffe greifen und - Schluss mit lustig.

So eine fröhliche Radikalität hätte man J. Wallis Martin gewünscht. Aber ach, statt den haarsträubenden parapsychologischen Unfug, mit dem sie uns in Tanz mit dem ungebetenen Gast (Diana) quält, irgendwie in Gelächter oder Blutbad aufzulösen, lässt sie das pp. Publikum genauso ratlos zwischen schrägen Clairvoyanten und miesen Pseudoplageistern (Gängselgeister und Klopfsauger, würde Piet Klocke sagen) rumtapsen wie ihren wackeren Polizisten Tate. Am Ende ist alles Prätention und jähes Jach.

Ein ganzes starkes Stück Literatur kommt einmal mehr aus Australien: Der Jäger von Julia Leigh (Suhrkamp). Dieser Debütroman ist ein glasklares, extrem konzentriertes und ungewöhnlich packendes Porträt eines Killers, der auf einer unwirtlichen Hochebene in Tasmanien seinem Opfer nachstellt. Dass dieses Opfer diesmal kein Mensch ist, ändert an der Qualität dieses Psychogramms aus Eiskristallen nichts.

Zum Schluss noch ein statistischer Befund, der nachdenklich macht: "1998 kamen in den USA mehr Fastfoodmitarbeiter ums Leben als Polizisten", sagt Eric Schlosser und eröffnet eine Bilanz der Makrokriminalität, die normale Mafia-Bücher wie Heidi aussehen lassen. Fast Food Gesellschaf. Die dunkle Seite von McFood & Co. (Riemann) heisst der seit Upton Sinclairs »Jungle« ekligste Raport über die Lebensmittel-Industrie. Schlosser repetiert nicht die üblichen Vorurteile über ungesundes Essen, sondern belegt die Verheerungen, die das Prinzip Fastfood in allen Zweigen nicht nur der amerikanischen Gesellschaft angerichtet hat. Wie heisst's so schön: Spannender als jeder Grimmi.

 

© Thomas Wörtche, 2002

 

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