legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 03/1996

 

Die Idee, den Präsidenten der USA als internationalen, ach was, intergalaktischen Lustmolch gleich den ganzen britischen Geheimdienst in die Luft sprengen zu lassen, ist ja irgendwie plausibel und hätte sicher einen lustigen Roman hervorbringen können. Daraus ist aber nix geworden, weil Colin Forbes diese seine Idee leider ganz und gar todernst genommen hat und daraus einen ganz und gar todernsten 544-Seiten-Wälzer zum Stückpreis von DM 48.- gefertigt hat. Todesspur  (Hoffmann & Campe) heißt dieses Wunderwerk an Schwachsinn, das noch nicht mal unfreiwillig komisch, sondern nur öde und blöde ist. Vorsicht: Bücher, die von renommierten Verlagen für teures Geld feilgeboten werden, sind vielleicht von Landserheftchenproduzenten wegen Abwegigkeit abgelehnt worden.

Abwegiges und unendliches Plappern & Quackeln aus der Frauenkrimi-Ecke: Ein Kriminalroman, dessen Plot ernsthaft auf der Prämisse beruht, daß jemand, der "rauschgiftsüchtig" ist, keinen Mord vorausplanen und durchführen kann, verdient nicht nur diese Bezeichnung nicht, sondern ist überhaupt völlig überflüssig, wg. Verachtung von Lesern. Und Leserinnen. Die Rede ist von Ora Schem-Urs Lore-Roman Mord am Toten Meer (Fischer Frauenkrimi), an den eine wunderbare Übersetzerin wie Mirjam Pressler glatt vergeudet ist.

Apropos Frauenkrimi: Die Formel ist jetzt schon etabliert, daß auch Männer Frauenkrimis schreiben können. Freilich "kritische" Frauenkrimis - wie uns das Ron Handberg mit Rächerinnen  (Knaur) gerade vorgemacht hat. Kritische Frauenkrimis sind solche, wo Frauen gesagt kriegen, daß sie Vergewaltiger aber nicht so einfach umbringen können, und wo sich ein Sittenstrolch und Kindsbelästiger letztendlich beinahe auf der Seite der Guten tummeln darf. Ja, so verwickelt und verzwickt sind inzwischen die Fronten, die die respektiven Erbauer und -innen der einfachen Weltbilder aufgebaut haben. Viel Spaß beim Entwirren, aber Literatur wird aus all diesem Zeug dennoch nicht.

Eine ehrliche Haut wie John Harvey ist da schon sympathischer. Zwar ist Nebel über dem Fluss  (Goldmann) nicht gerade ein Geniestreich und Harvey auch nicht "die Stimme des britischen Kriminalromans der neunziger Jahre" (Klappentext), aber immerhin bemüht er sich, den tristen Realitäten von Nottingham mit literarischen Mitteln zu Leibe zu rücken.

Literarisch routiniert ist allemal Ted Allbeury, dessen Pflege sich das Schweizer Verlagshaus angenommen hat. Drecksarbeit  stammt aus dem Jahre 1991, als die Welt für alte Kämpen des Kalten Krieges - so einer ist Allbeury - ziemlich verwirrend ausgesehen hat. Mit einer gehörigen Portion Chuzpe nutzt er hier diesen Umstand und beschreibt eine völlig sinnlose Geheimdienstoperation, die höchstens ein paar Schmutzwolken von dito Aktionen im und nach dem Zweiten Weltkrieg aufwühlt. Die Botschaft lautet wie so oft und wie bekannt: Realpolitik ist nix Schönes. Aber Allbeury verpackt sie wenigstens vergnüglich und unterhaltsam.

Ebenfalls aus England kommt ein sehr merkwürdiges und verstörendes Buch: Der Zeichner  von Martyn Bedford (Heyne), dessen beklemmende Analyse eines verpfuschten Lebens auf noch einen Serial-Killer-Roman hinauszulaufen scheint und dies dann nicht tut. Deswegen ist die Hauptperson Gregory Lynn mit seiner unerbittlichen, durchgeknallten, aber eben plausiblen Logik auch eine Figur, die interessant ist und im Gedächtnis haften bleibt. Ein ganz erstaunlicher, intelligenter und spannender Erstling.

© Thomas Wörtche

 

« Leichenberg 02/1996 zurück zum Index Leichenberg 04/1996 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen