legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 3/1995

 

Kein Wunder, daß die Herrschaften Psycho- und Soziopathen allüberall so beliebt sind wie Hobbits und andere Wurzelzwerge aus Parallelwelten. An solchen Kunstfiguren kann, wer will und darf, seine trivialliterarischen Tüftelfähigkeiten ausprobieren. George D. Green hat bei dem Wettbewerb mitgemacht: Wie kriege ich einen noch fieseren, noch gemeineren, noch superduperdolleren Bösewicht, sprich: den beliebtesten Mörder aller Zeiten hin? Die Geschworene  (Droemer-Knaur) versucht zudem, auch noch "echt literarisch" zu sein, was angesichts des groben Unfugs, den Green uns da zu erzählen versucht, besonders peinlich und daneben ist. Aber, hmmmm, und jetzt - quo vadis, Schocker? Diese Überbietungsästhetik hat so ihre fatalen Eigendynamiken, und so ist diese Spielart des Thrillers jetzt doch schon da angekommen, wo die nouvelle vague  des Horrofilms Ende der 7oer Jahre angefangen hat. Gähnende Langeweile also.

Genauso gähnend langweilig wie die "Neue Rechte". In den USA gibt es seit einigen Jahren einen "modern" daherplaudernden, aber den muffigen Geist alter Krieger feiernden Verfasser von dickleibigen Heldensagen. W.E.B. Griffin heißt dieser bescheiden talentierte Barde von "Soldaten-Saga" und "Das Marine-Corps", in denen zum Entzücken von Ronnie & Newt & Jesse ein Mann tut, was ein Mann tun muß, vornehmlich fürs Vaterland. Logisch, daß jetzt die "Männer in Blau" dran sind. So heißt der (erste?) Band seiner als Bücher verkleideten Heftchen-Reihe Philadelphia Cops  (Bastei). Empfehlenswert als "Camp", als ideale Negativfolie guter Cop-Novels und wegen der beschwingt heiteren Übersetzung von Joachim Honnef, der sich zwar mit Waffen prima auskennt, aber garantiert jeden Dialog freudig ins Imperfekt transponiert.

Die Kunst des Plottens beherrscht wirklich hervorragend der Brite Robert Goddard: Hat man sich gerade geärgert, daß eine Handlungsführung allzu durchsichtig läuft, schwupps, hat er schon wieder ein paar wieselflinke und intelligente Haken geschlagen. Mitten im Blau  (Schweizer Verlagshaus) ist sein mittlerweile vierter auf Deutsch vorliegender Roman. Zu hoffen bleibt, daß Goddard seine Erzählökonomie künftig besser in den Griff bekommt und seine homophoben Untertöne einfach wegläßt. Unterhaltungsqualitäten hingegen möchte ich ihm nicht absprechen.

Ganz amüsant unterhält auf den ersten Blick auch die Amerikanerin Donna Leon, die allerdings allzu dreist auf Michael Dibdins Spuren wandelt. Endstation Venedig  (Diogenes) ist der zweite Roman um Commissario Brunetti und hat dasselbe Production-Design  wie Dibdins Aurelio-Zen-Romane. Ich hoffe doch schwer, daß Frau Leon ihrem englischen Kollegen Tantiemen zahlt - von den DM 39.- dieser Ausgabe allemal, die sonst für ein schlichtes Remake ein bißchen arg happig wären.

Überhaupt die Preisgestaltung im Hause Diogenes: Für einen uralten (1978!), nicht ganz unsympathischen, aber auch für damalige Verhältnisse eher durchschnittlichen Privatdetektivroman, nämlich Michael Lewins Der stumme Handlungsreisende  heutzutage in Hardcoveraufmachung dito DM 39.- haben zu wollen, das kann man sich nur in einem "Betrieb" trauen, von dem man genau weiß, daß "Kritik" nicht stattfindet. Leser und Leserinnen sollten in solchen Fällen das Produkt einfach retournieren und ihr Geld zurückverlangen.

Ein Appetithäppchen zum Schluß: Band Zwei von Peter Hainings vorzüglichen Freß & Mord-Anthologien: Zum Nachtisch: Mord  (Haffmans bei Heyne).

© Thomas Wörtche

 

« Leichenberg 02/1995 zurück zum Index Leichenberg 04/1995 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen