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Leichenberg 03/2001

 

Wie gut, dass es Taschenbücher gibt. Denn sonst wäre mir der grandiose Roman der Brüder (?) Georg und Richard Precht: Das Schiff im Noor (Goldmann) entgangen - die Originalfassung war 1999 bei Limes erschienen. Nur übelwollende Zeitgenossen könnten sagen, dass die Machart ein wenig arg an die Bücher von Maarten t'Hart erinnert. Das stimmt nicht. Das Schiff im Noor ist eine Inselidylle, die in Dänemark spielt und Gegenwart und Vergangenheit mit allerlei Zwischenvergangenheiten und Archiven und Überlieferungen und Hinweisen verknüpft. Die Verbrechen von 1808 und 1985 (da spielt der Roman), um die es hier ganz vorsichtig geht, sind eben einmal nicht die berühmt-berüchtigten Einbrüche in die Idylle, sondern deren Teil. Was der Kriminalassistent Ansgar Jø rgensen heiter und gelassen aus einem verstaubten Archiv rekonstruiert und eben so heiter und gelassen in die Gegenwart verlängert, korrespondiert mit dem Lebens-Rhythmus der kleinen Insel und ist insofern nur logisch und organisch. Verbrechen als konstitutiver Teil der Idylle - das hat was. Und die wirklich schöne, ruhige Prosa, in der kaum etwas zu passieren scheint, die aber eine Menge aufregender Dinge erzählt, die gehört genauso zu diesem überraschenden und faszinierenden Konzept.

Ebenso überraschend kommt Bernhard Jaumanns Duftfallen (Aufbau Taschenbuch) daher. Zumindest auf den ersten Blick. Japan, fünf Jahre nach dem Giftgas-Anschlag der Aum-Sekte. Wieder wird Tokio von tödlichen Schwaden gerackelt, wieder sterben Menschen an Verkehrsknotenpunkten, wieder steht eine Sekte im Verdacht. Die zunächst recht verwirrend halluzinatorisch daherkommende Prosa von Jaumann, die ebenso wie die der Brüder Precht weit über dem Durchschnitt des Kraut-Krimis steht, verspricht allerdings mehr Bedeutungsebenen, als schliesslich eingehalten werden. Zum Schluss geht es halt doch wieder ganz eindimensional um Geld, Lizenzen und allgemeines Gerangel in der Aromaten-Industrie. Ein spannendes Buch allerdings ist Duftfallen aber zweifelsohne. Eine Anmerkung muss aber sein, wenn sie sonst niemand machen möchte: Jaumann hat ein Projekt, das sich in fünf Büchern mit den fünf Sinnen kriminalliterarisch auseinandersetzen möchte. Dieses hier ist das vierte. Soweit ist allerdings auch Pieke Biermann mit ihren Lietze-Romanen, die genau dieses Prinzip seit 1987 haben. Sowas ehrt die Ideenspenderin, Credits wären nett gewesen.

Gnadenlos aus der gentechnologischen Wirklichkeit klaut offen und ehrlich Zwillingspark von John Darnton (C.Bertelsmann). Durchgeknallte, aber geniale Hippies haben schon vor Jahrzehnten menschliche Klone herstellen können. Das "böse" FBI und das "gute" FBI prügeln sich um die Kontrolle des Verfahrens, denn die Klone wichtiger Menschen werden als Organersatzteillager genutzt. Und dann geht's bautz, fluff, peng zur Sache, 507 Seiten lang. Solche Schmöker mögen alles mögliche sein - trivial, albern, schnell vergessen. Wenn sie gut gemacht sind - und Zwillingspark ist gut gemacht - dann werden sie dankbar wegschnabuliert.

Nicht gerne wegschnabuliert werden Bücher von Autoren, die klasse anfangen und ihre Masche zu Tode reiten. So wie Pete Hautman, der mal wunderbar bösartig war, jetzt mit Alles Asche (Bastei) aber nur noch einen zähen Nachzieher von Hiaasen-Komik abliefert. Schade.

Schade auch, dass ein technisch so brillanter und kompetenter Schriftsteller wie Carlo Lucarelli immer noch nichts zu erzählen hat. Das war schon das Manko des epigonal-prätentiösen "Der grüne Leguan", das ist jetzt das Manko des ebenso prätentiösen Schutzengel (DuMont), der sich von einer Filmanspielung zur anderen hangelt. Lucarelli hält das vermutlich für "ironisch-gebrochen", auch weil er sich selbst natürlich "ironisch" in den Text "einschreibt". Leider ist es bloß eitel.

 

© Thomas Wörtche, 2001

 

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