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Leichenberg 02/2007

 

Land der Guten Hoffnung

Das Vergnügen, das man an den Büchern wirklich guter Autorinnen und Autoren hat, kommt vermutlich auch daher, dass sie sich selbst treu bleiben. Das heißt nicht, dass ein Buch wie das andere sein soll, sondern dass das jeweilige ästhetische Konzept konsequent durchgezogen wird. Egal, was Moden, Zeitgeist, Trends und Empfehlungen der Marketingabteilung so alles sagen. In diese Kategorie gehört D.B. Blettenberg. Sein neuer Roman Land der Guten Hoffnung (Pendragon) ist ein konzentriertes Stück Literatur außerhalb der Schubladen. Eine faszinierende, spannende Geschichte aus Südafrika, über Freiheitskampf und Romantik, über Realitäten und Träume jenseits von ideologischem Getös. Und ein Roman über das einfachste und komplizierteste Thema: Frau & Mann. Einfach substantiell.

Ein Meisterwerk kommt auch von Hervé Barulea alias Baru: Wut im Bauch I+II (Edition 52). Eine hochintelligent geplottete, grandios gezeichnete Geschichte aus den Banlieus - über einen jungen Boxer, der nach oben will, sich im Leben verheddert und für einen Mord verurteilt wird, den er nicht begangen hat. Dann brennt die Strasse. Ein im besten Sinn "proletarischer" Stoff, inszeniert ohne viele Worte, mit perfektem Timing, rhythmisch ausgefuchst und in komplexen, wuchtigen Bildern. Nach "L'Autoroute du Soleil" die neueste große graphic novel von Baru.

Rote Wasser

Und endlich gibt es ein neues Buch von Reggie Nadelson: Rote Wasser (Piper). Artie Shaw, der Cop mit russischen Wurzeln treibt quer durch alle sozialen Schichten der Stadt: Grundstückspekulanten, Glücksritter, Verzweifelte, Gangster und Geheimdienste. Der Focus dieses Roman liegt auf Red Hook, einem einst verrotteten Eckchen von Brooklyn, das inzwischen für Baulöwen sehr interessant wird. Und über allem schwebt eine neue Hysterie, die die Stadt seit 9/11 nicht mehr loslässt und in immer neuen Neurosen buchstäblich zu explodieren droht. Nadelsons Erzählprosa wird dementsprechend immer komplexer und tiefenschärfer, ihre Geschichten immer verknoteter, immer - im positiven Sinn - unentwirrbarer. Kriminalliteratur auf der Höhe der Zeit.

Mürrisch hingegen wird man inzwischen bei einer gewissen Sorte von soliden, wackeren, im Grunde unendlich biederen Romanen, die Erfolgsformeln einfach ausschreiben. Nur ein leiser Schrei von Alex Gray (Diana) ist so Fall. Nach Ian Rankins Edinburgh jetzt also das Glasgow von Alex Gray - mit netten, menschlichen Polizisten, schlimmen Schicksalen und doofen Polizeichefs. Ach ja, die Geschichte - ein Serialkiller geht um, ein interessierter Trittbrettfahrer mordet aus eigenen Gründen - ist so durchsichtig wie ein Glas Wasser. Nicht unsympathisch, nicht wirklich schlecht, aber veritabel überflüssig.

Das Geheimnis des Buchhändlers

Schade, auch John Dunning verdirbt eine an sich gute Geschichte über bibliophile Maniaken durch Hypnose-Fidelwipp, eine allzu durchsichtige, aufgesetzte whodunnit-Wende nebst stocksteifer und aufgeblasener Dramaturgie: Das Geheimnis des Buchhändlers (Rütten & Loening) ist dann doch nur ein braves Romänchen.

Wenigstens lustig gestaltet sich der kreischende Unfug bei Jim Butchers Wolfsjagd (Knaur). Werwölfe gehen um und machen dem Magier-Detektiv Harry Dresden nix als Ärger. Gute und böse Werwölfe und einer, der es nicht bös meint. Allerlei Schreckgespenster piesacken die Menschen in Chicago - und die kapieren es einfach nicht: Nicht der Mensch ist des Menschen Wolf, sondern der Werwolf und andere Viecher. Ah, so ist das also! Horror oder Krimi, das ist dann auch schon Wurscht. Aber dreimal gekichert haben wir am Ende schon.

 

© Thomas Wörtche, 2007

 

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