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Leichenberg 02/2004

 

Pompeji Grosses Gewese, viel Anzeigengeld, grosses Spektakel, Lob & Hudel allenthalben - Robert Harris hat einen Roman über eine Menschheitskatastrophe geschrieben: Pompeji (Heyne). Abzüglich der Hysterie bleibt ein netter, ordentlicher und etwas biederer Roman über einen wackeren Aquädukt-Beauftragten, der der durch und durch verkommenen und korrupten Politiker-Elite von Pompej auf die schmutzigen Fingerchen hauen will. Und weil der Thriller ein Erfolg in Anglo-Saxonia werden soll, hat unser Held 79 n. Chr. schon eine ausgeprägt protestantische Wertewelt, was den Roman hin und wieder leicht unfreiwillig komisch macht. Da können sich noch so viele historische Figuren wie Plinius d.Ä. tummeln. Und wer sich ein bisschen in der Zeit auskennt, kennt auch die Quellen, die Harris ein wenig uninspiriert aneinandermontiert hat. Von der erzählerischen Fantasie und der Sprachgewalt, die jeder einzelne von Gisbert Haefs' Historienthriller zu bieten hat, ist Harris Lichtjahre entfernt. Das möge im Getöse bitte nicht untergehen.

Die Affäre N'Gustro Ein bisschen Getöse gab es in Frankreich, als 1971 Jean-Patrick Manchettes Die Affäre N'Gustro erschien, die jetzt wieder in der neuen Distel-Ausgabe zu erwerben ist. Der innenpolitische Skandal - das Verschwinden des algerischen Politikers Ben Bekra und das Schweigen der Regierung de Gaulle -, der dem Roman zugrunde liegt, ist heute natürlich längst vergessen. Interessant hingegen ist immer noch, wie Manchette versucht, kritische Distanz durch eine partielle erzählerische Identifikation mit der rassistischen und protofaschistischen Hauptfigur Butron zu schaffen. Auch wenn an manche Stellen Erzähler, Perspektive und Autor unbehaglich nahe aneinander rücken? Natürlich war Manchette kein Rassist, aber Rassismus ist eben nicht nur eine Frage der Intention.

Ohne jedes Getöse funktionieren immer noch die netten Bücher von Rex Stout. Ach, was waren das für gemütliche Zeiten, als Mordfälle sorgfältig gebastelte Rätselchen waren, die mit irgendwelchen Realitäten nichts, aber auch gar nichts zu tun hatten. So auch hier, in Vor Mitternacht (Goldmann), als Nero Wolfe beinahe, aber nur beinahe versagt hätte, dann aber doch noch das Giftfläschchen findet und den bösen Mörderich dazu. Man soll ja nicht unterschätzen, wie prägend dieser Typus von Roman für das allgemeine Verständnis von »Krimi« ist. Immer noch und immer mehr. Vor allem, wenn er so charmant daherkommt.

Stein sei ewig Zu den eher Stillen im Lande gehört Monika Geier, die von ihrem ersten Buch aus gesehen, mit ihrem dritten Roman Stein sei ewig (Ariadne) einen gewaltigen Sprung gemacht hat. Ihr Erzählhaltung ist maliziös, aber nicht zynisch, spöttisch, aber nicht speichelnd, scharfsinnig, aber nicht naseweis und insofern sehr klug und weise. Und sie hat ein wunderbares Gespür für ihr Terrain, die Pfalz, ohne in Regionalfolklore zu verfallen. Rundum erfreulich.

Rundum unerfreulich hingegen war und ist die Rolle, die die CIA im globalen Drogenhandel spielt. Die CIA und das Heroin heisst die grosse Studie von Alfred W. McCoy, die gerade in einer erweiterten Neuausgabe bei Zweitausendeins erschienen ist. Das Buch ist wichtig und spannend, weil es nicht die üblichen Verschwörungstheorien bedient, sondern sehr sorgfältig historisch und aktuell untersucht, was passiert, wenn eine Weltmacht ihre Geheimdienste nicht anständig kontrolliert und wenn Aussenpolitik nach der Vorgabe von Ideologie, Innenpolitik resp. Wahlkampferfordernissen gemacht wird. Und wie hinter all dem kein Mastermind steht und auch kein kühler Pragmatismus, sondern vor allem Pfusch, Zynismus, Lug, Trug und Gewalt, Ignoranz und Dummheit. Keine schöne Lektüre.

 

© Thomas Wörtche, 2004

 

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