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Leichenberg 02/2000

 

Man kann es in einem Satz sagen: "Femina feminam lupara est" (Marcella Gallo). Man kann aber auch 397 Seiten ausgeben, um den Nachweis dieser betrüblichen Tatsache zu erbringen. Diesen Weg hat die Schwedin Liza Marklund gewählt. Ihr Erstling Olympisches Feuer (Hoffmann und Campe) spielt fast ausschließlich unter Frauen, Männer gibt es nur am Rande: Als widrige Prinzipe, Weicheier und Sabbelsäcke und - zwengs der Ausgewogenheit - als überirdisch guten Chefredakteur. Soweit ist das völlig okay - die Person, die Bomben legt, und die Person, die davon hauptsächlich zerlegt wird, und die Person, die den ganzen Klumpatsch aufklärt, sie sind alle weiblichen Geschlechts. Und das ganze Buch ist überhaupt vornehmlich politically correct. Die Heldin scheidet diverse Körperflüssigkeiten aus, wir erfahren alles über Kleinkindaufzucht und weibliche Doppelbelastung zwischen Job und Muttertum und über erotische Träume, weibl. auch. Lesben sind okay, nicht aber Mütter, die keine guten Mütter sind. So wie die böse Vorsitzende des schwedischen olympischen Kommittees, die dann weggebombt wird. Von einer Mitarbeiterin, die auch gern Karrierefrau sein will, es aber nicht schafft. Ach ja, der Plot wäre in drei Zeilen erzählt, der Rest des Romans ist zu 10% spannend und zu 90% überflüssige Repetition aller Cosmopolitan-Emanzipationsratgeber. Wird vermutlich ein Bestseller.

Bestseller-Ehren hingegen hätte Reginald Hill verdient. Seit etlichen Jahren hat man auf dem deutschen Markt nichts mehr von ihm gehört - und das ist schade. Denn seine Bücher mit dem wunderbaren Detective Superintendent Andy Dalziel, Sergeant Wield (der schon offen schwul war, als es noch keine Schwulen-Krimis gab) und dem treuen Chief Inspector Peter Pascoe gehörten schon lange zum Intelligentesten, was aus dem UK kam. Leider ist das neue Buch, Das Dorf der verschwundenen Kinder (Europa Verlag) ein bißchen unnütz überladen - mit interpolierten Kleinmädchen-Phantasien und Gustav Mahlers "Kindertotenliedern". Trotzdem: Die Polizeiarbeit in ihrer ganzen unspektakulären Kleinteiligkeit, die hochintelligenten Dialoge, die nicht minder intelligenten Gedanken-Prosateile von Dalziel, Pascoe und Wield, die geschickte Führung von Nebenfiguren, der immer leicht grimmige Humor, kurz: der ganze epische Erzählfluss läßt über die Plot-Schwächen großzügig hinwegblicken. Hill gehört zu den wirklich wichtigen Autoren, über die das Bestseller-Getöse immer wieder hinwegtrampelt.

Garantiert kein Bestseller wird Garry Disher aus Australien. Zwar hat er mit seinem Roman Gier (Maas Pulp Master) völlig zurecht gerade den Deutschen Krimipreis gewonnen, aber dieser schnelle kleine Roman über den Einbrecher Wyatt (weitere folgen hoffentlich) hat alle Züge, die Bestsellern abträglich sind: Er ist nicht laut und bombastisch, er erzählt von glaubwürdigen Menschen, er zeigt seine Schauplätze down under ohne den geringsten Reiseführer-Effekt, er hat keine netten Helden und keine bösen Monster, sondern kleinkriminelle Lumpis, entsetzlich dumme Menschen, die ziemlich gewalttätig werden und ein paar arg berechnende Charaktere. Er hat allerdings - als Genre-Konvention und Achillesferse - die Femme fatale, die gemein zu Männern ist. Und das wirkt im pc-Zeitalter halt doch ein wenig zopficht. Dumm gelaufen, das Klischee umgedreht ergibt Marklund (s.o.). Fatal.

Richtig rundum okay ist Voodoo River von Robert Crais (rororo). Das liegt zu nicht geringen Teilen an Crais' PI Elvis Cole, dem tatsächlich immer noch gute Smartcracks gelingen, und am Sidekick Pike, der immer noch nicht viel redet, aber umso mehr bewegt. Diesmal müssen die beiden ins heisse Lousiana und dort ein bißchen aufräumen. Was sie mit hoher krimineller Energie auch tun. Ein Lesevergnügen, das man eigentlich kaum kommentieren muß.

 

© Thomas Wörtche, 2000

 

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