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Leichenberg 01/2013

 

Das albanische Öl oder Mord auf der Strasse des Nordens

Gut, dass der Polit-Thriller eine kleine Renaissance zu erleben scheint. Zum Beispiel als konzentrierter, feiner und total überraschender Roman aus und über Albanien, von einer zweisprachigen Albanerin auf Deutsch geschrieben: Das albanische Öl oder Mord auf der Strasse des Nordens von Anila Wilms (:transit). Zwei US-Bürger werden 1924 auf einer Brücke im wilden Bergland Albaniens ermordet (die Geschichte ist damals wirklich passiert und im kollektiven Gedächtnis des Landes haften geblieben) und dieser Doppelmord setzt ganz Ketten von Reaktionen in Gang. Denn Albanien hat beträchtliche Ölvorkommen, und die waren auch schon in der Zeit zwischen den Weltkriegen für die Großmächte USA und Großbritannien interessant. An den Grenzen geht es um serbische Interessen, Mussolinis Italien hat sowieso ein Auge auf die Adria-Anrainer geworfen. Innenpolitisch ist der kleine Balkanstaat mit seiner eher atavistischen Clan- und Stammeskultur im Gebirge und einer schmaleren urbanen Kultur in den aufstrebenden Städten keinesfalls stabil. Anila Wilms inszeniert diese große Unübersichtlichkeit, die Paradoxe und Widersprüchlichkeiten mit viel Sprachwitz und einem wunderbaren Feeling für Komik & Tragik. Viel mehr als ein "Geheimtipp"!

Die Trinity Verschwörung

Charmant Charles Cumming: Die Trinity Verschwörung (Goldmann). Wie schon Robert Littell in »Philby« spielt Cumming mit den Legenden, die sich um den vermeintlichen KGB-Agenten Kim Philby und die vier anderen berühmten russischen Cambridge-Spione ranken. Er behauptet, es habe noch einen sechsten, nie enttarnten Superspion gegeben. Was der wiederum mit dem "lupenreinen Demokraten" im Kreml von heute verbinden könnte - tja, lesen Sie selbst, wie amüsant, intelligent und letztlich heiter-mild Cumming Weltpolitik als Komödie erzählen kann, ohne allzu albern zu werden.

Rache verjährt nicht

Auch Reginald Hill, der als Patrick Ruell in früheren Jahren hervorragende Polit-Thriller geschrieben hatte, ist mit seinem letzten Buch (Hill ist am 12. Januar 2012 gestorben) Rache verjährt nicht (Suhrkamp) wieder beim politischen Kriminalroman gelandet. Zwar ächzt und quietscht die Geschichte vom Grafen von Monte Christo, äh, sorry, die vom selfmade man, der in die besseren Kreise des UK einheiratet und vom Geheimdienst wundersam protegiert und manipuliert wird, an jedem Plausibilitätsgelenk, zwar ist Hill ein opulent fabulierender Romantiker, ohne Scheu vor großem Opern-Showdown im Gebirge, wo es am Erhabensten ist, aber was soll's: Wie er Leute beschreibt, Seelenlagen auf den Punk kriegt und alles, aber auch alles in intelligente Plaudereien und Kommentare zur Welt verwandelt - das ist schon großartig und wird uns fürderhin fehlen.

Kein bisschen weise und abgeklärt hingegen die Junkies und Pornographen, die Abgestürzten und Durchgeknallten, die Irren und Gewaltbesessenen aus dem Hollywood-Universum von Tony O'Neill. Black Neon heißt nicht nur dessen neuer Roman (Walde & Graf), sondern auch der Film, den der Kult-Regisseur Jacques Selzer drehen möchte. Jeder, der sich für cineastisch informiert hält, darf überlegen, wer als Vorbild eines fetten, nur angeblich genialen, ansonsten stinkend faulen und widerwärtigen Regisseurs mit schmalstem Gesamtwerk in Frage kommen könnte. Ultraveristisch soll das Werk werden, authentisch bis zum Anschlag deswegen suhlt sich Selzer begeistert und mit einem Koffer bester Drogen dort, wo's nicht mehr weiter runtergeht und wo wirklich seltsame Gestalten herumspuken, bis, ja, bis... . Satirisch, nix für schwache Mägen, komisch und rundum krass. Auf jeden Fall sehr vergnüglich.

Der Mann aus dem Safe

Erfreulich originell (aber das ist nichts Neues) ist Steve Hamiltons Der Mann aus dem Safe (Droemer), ein klassischer, amerikanischer Gangster-Roman mit einem leichten, aber nicht störenden coming-of-age-Touch (wobei ich hoffe, dass diese Adoleszenz-Geschichten sich nicht zur neuen Mode mausern). Die Hauptfigur Michael ist extrem spannend - ein genialer Safeknacker (als Safes noch richtige Safes mit Schlössern und Kombinationen waren, weshalb der Roman in den frühen 1990s spielt), der verstummt ist, seit er als Kind in einem Safe eingeschlossen auf dem Grund eines Flusses gelandet war. Seitdem kommuniziert er mit Comics, vor allem, als er seine große Liebe, die Tochter eines mittleren Gangsters trifft, und er sein Trauma und sein Talent ins Kreativ-Kriminelle wenden muss. Blendend erzählt, robust, unterhaltsam, klug - und am Ende haben wir auch noch sehr viel über Sicherheitsschlösser gelernt.

Unterhaltsam ist Jörg Maurers Unterholz mit dem Untertitel Alpenkrimi und einem Biber auf dem Umschlag und im Buch durchaus. Maurer macht sich über Alpenkrimis lustig, über Kapitelmotti, über ungewöhnliche Erzählperspektiven (aus den Memoiren eines Klappspatens), über ernsthafte Kriminalromane, über Polizisten, Forensiker und Killer. Er erfindet witzische Mafia-Bestatter, karikiert die bayrische Alpen-Schickeria, mit Seitenhieben gegen den Kunstmarkt, den Tourismus und so weiter und so fort. Parodien sind das nicht (Parodie ist eine Art der kritischen Vorlagenverarbeitung), eher Persiflagen und gutlauniger Unfug, intelligenter Fidelwipp und benevolenter Nonsens.

 

© Thomas Wörtche, 2013

 

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