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Leichenberg 01/2009

 

Die Abrechnung

Zur Weihnachtszeit massakrierten Verbände von Joseph Konys Lord's Resistance Army, die zu erheblichen Teilen aus Kindersoldaten bestehen, wieder einmal hunderte von Menschen im Ostkongo, in der Provinz Ituri, die besonders reich an Bodenschätzen ist und von internationalen Investorengruppen ausgebeutet werden. Diese Investoren arbeiten mit allem zusammen, was Profit verspricht, auch notfalls mit blanken Mordgesellen wie Kony, der vom ICC, also dem Internationalen Gerichtshof, mit Haftbefehl gesucht wird. Genau darum und zwar mit Klarnamen, geht es in Andy McNabs Roman Die Abrechnung (Blanvalet) - um eine Rettungsaktion im Kongo, in die auch britische Söldner verstrickt sind. Profis, die schon vor Jahrzehnten das schmutzige Geschäft ihrer Regierung in Afrika, in Zaïre etwa, wo der Roman beginnt, betrieben haben und es heute privatwirtschaftlich weitertreiben. McNab, das nicht gelüftete Pseudonym eines Ex-SAS-Manns, weiß genau, was er erzählt, das merkt man dem Buch an. Serienheld Nick Stone steckt mitten im Schlamassel - und dieser Schlamassel riecht, schmeckt und blutet absolut realistisch. Der unvermeidliche Zynismus, mit dem Kinder gegen Kinder mörderisch aufgehetzt werden, ist übel, aber plausibel und logisch in der Grundsituation angelegt. Auch wenn der Roman ein klein wenig zu sehr infanteristisch geraten ist und nur einen Klischee-Schluß hat: Atmosphärisch und auch intellektuell geht er trefflich mit den ganzen Schweinereien um, von denen wir lieber nichts wissen wollen.

Der Yakuza

Eine Figur von McNab überzeugt besonders: Ein Buschflieger, der zwar ohne Probleme Waffen, Gerät und anderes verdealt, aber letztendlich doch noch einen Rest von Ehrenkodex hat - was uns zu einem Klassiker von 1974 über Codices im Speziellen führt: Zu Leonard Schraders Der Yakuza (Alexander Verlag), neu aufgelegt, durchgesehen und vom geschätzten Kollegen Norbert Grob mit einem klugen Nachwort versehen. Vermutlich hat man eher die Verfilmung von Sydney Pollack mit Robert Mitchum im Kopf, aber der Roman hat seine großen Qualitäten: Die Yakuza, also die japanische Variante einer "Mafia"-Struktur, hier einmal nicht als wirtschaftliches Faktum, sondern als Mythos über Kino-Mythen und als Verhaltensregel-Set in mythischen Umständen. Das ganze aber aufgelöst in action - robust, blutig, lakonisch. Gut, dass das Buch wieder zu haben ist.

Ebenfalls gut, dass Die Foldex-Krimis von Simon Schott (Fischer) wieder zu haben sind, auch wenn sie eine ganz andere Variante von Kriminalliteratur sind als Schraders grimmiger Roman. Simon Schott, Bar-Pianist von Gnaden, heute noch mit 91 Jahren im Münchner Hotel "Vier Jahreszeiten" zu hören und in den 1950er und 1960er Jahren in "Harry's New York Bar" in Paris Leibpianist von Ernest Hemingway, Coco Chanel, Beauvoir & Sartre, Rita Hayworth & Co, hatte damals schon intelligente, zart ironische Krimis um Nick Foldex, den Pariser Schnüffler geschrieben, deren eleganter Charme einfach nur amüsant war. Auf hohem Niveau. Drei dieser älteren Teile hat Schott jetzt aktualisiert und in einem Band zusammengefasst. Und sie sind, was sonst, von elegantem Charme, voller Selbstironie und Lebensklugkeit.

Und weil das so schön ist, hat der Schauspieler Hans-Jürgen Stockerl, bekannt als "The Voice", mit Liebe auf gefährlichen Pfaden, einen Romantik-Krimi cum Klavierimprovisationen von Simon Schott (und Co-Autorin Jeannette Weiss) als erste Produktion seines Hörbuch-Labels Adini Audio Buch erkoren. Very charming as well...

Ganz und gar un-charmant aber kommt Ich bin Legion daher - ein Polit-Thriller im Comic-Format, eine hochgehypte und gepriesene Zusammenarbeit des französischen Szenaristen Fabien Nury und des amerikanischen Zeichners John Cassidy (Cross Cult). Aber bis auf ein paar grandiose Einzelbilder und Panels - geniale Colorierung von Laura Depuy -, ist das ganze Projekt letztendlich nix als wüster Blut- und Nazi-Schrott, mit Vampiren, SS, Konzentrationslagern, Geheimdiensten, Wölfen und auseinanderplatzenden Körpern, relativ sinnfrei und ohne Punkt, Pointe oder sonst eine Idee. Schade für die schönen Bilder.

Dabei müssen sich Ästhetik und robust Gewalttätiges ganz und gar nicht im Wege stehen. Das beweist die clevere und intelligente Lösung von Ivan Vladislavics Porträt einer sehr gewalttätigen Stadt: Johannesburg. Insel aus Zufall (A1 Verlag). Hier ist alles, was furchtbar ist, nicht als Skandal geschildert, nicht hysterisch, nicht schrill, sondern integriert als Teil des Ganzen, und damit eben auch als menschlich erzählbar, von Menschen gemacht und von Menschen zu bearbeiten. Ein sehr lehrreiches, sehr unspektakuläres und deswegen sehr gutes Buch.

 

© Thomas Wörtche, 2009

 

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