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Leichenberg 01/2007

 

Schwarzer Frühling

Die Leidtragenden von "Wellen" sind nicht selten gute Autoren. Sie werden einfach überspült. Wenn man z.B. bedenkt, welch unglaublichen Schrott & Schotter der Skandinavien-Tsunami über uns gekübelt hat... Drunter begraben Pentti Kirstilä, Schwarzer Frühling (grafit). Sein dritter Roman mit Ermittler Lauri Hanhivaara aus dem Jahr 1979, hätte dem damals noch obwaltenden deutschen Sozio-Krimi, der sich gerade in Sjöwall/Walöö-Kopien ohne Ende erging, eine nette Alternative zum Lernen an die Hand geben können. Lakonie und Witz, ein elegant-sarkastischer und produktiv-skeptischer Blick auf die Welt; politisch und politisch hellsichtig, feinste kondensierte Prosa, mit unendlich malizösen kleinen Nebensätzen; kluger Plot, gute Figuren. Davon wollte man damals lieber nichts wissen. Aber hoffentlich heute!

Eine wirklich gute Nachricht gibt's zum Jahresbeginn: John Harvey ist wieder auf dem deutschen Markt. In den 1990s war er mit seinen Resnick-Romanen, die in Nottingham spielten, nach allen der Regeln der Kunst bei uns verlegerisch an die Wand gefahren worden. Überall sonst auf der Welt ist allgemein bekannt, dass er zur allerersten Garnitur des "neuen" britische Polizeiromans gehört, auf Augenhöhe mit Ian Rankin, und vermutlich noch einen Tick besser. Anyway, jetzt hat sich dtv seiner neuen Serie um den früh-pensionierten DI Frank Elder angenommen: Schrei nicht so laut heißt die deutsche Ausgabe von "Flesh and Blood" und hoffentlich ist dieser grausame Titel nicht wieder der Vorbote eines Marktdesasters. Der Roman ist, wie immer bei Harvey, ein richtig erwachsener Roman, kunstvoll erzählt, sehr bewußt down-to-the-ground und bevölkert von richtigen Menschen. Mit richtigen Problemen, richtigen Pannen und einer ganz präzisen Schilderung von Land und Leuten. Hervorragend!

Deutsche Meisterschaft

Ganz präzise getroffen haben die beiden dichtenden Historiker Birkefeld & Hachmeister die Weimarer Republik. Deutsche Meisterschaft (Eichborn) heisst ihr zweites Buch, in dem es um die Frühgeschichte des Motorradrennsports. Bzw. um die seltsame Atmosphäre der 1920er Jahre. Zwei Rennprofis - ein Proll, ein Bagatell-Adliger rivalisieren inmitten von Freikorpslern, Nazis, Sozis, Kriegsgewinnlern und Kriegsneuroslern. Technikeuphorie, Rassenforschung, neue Sachlicheit, Spät-Futurismus, Jazz und Putsch, alles ist da. Frauen gibt es als Mütterchen, Huren, Engelmacherinnen, Koks-Diven und als zeitgeistige Flapper mit Bubikopf. Das ist alles ordentlich und korrekt in die Handlung eingewoben. Aber die ist leider ein bisschen arg wirr geraten - und deswegen lediglich die Bühne für die bunte und faszinierende Revue der Kontexte. Der gemeine und wirklich intelligente Plot-Dreh, den Birkefeld & Hachmeister bei ihrem Erstling (»Wer übrig bleibt, hat recht«) hinbekommen hatten, entfällt hier leider. Naja...

Ein richtiges Twist-Maschinchen ist David Morrells Creepers (Knaur). "Creepers" nennt man Leute, die nächstens in alte, verlassene Gebäude eindringen und eine Art (illegale) Alltagsarchäologie betreiben. Hier haben sie sich das falsche Gebäude ausgesucht und so werden sie, einer nach dem anderen, abgeräumt. Bis auf den Helden (und die damsell in distress), der uns dann die ganze Schote erzählt. Klar, wie das Maschinchen tickt, weiß man nach 10 Seiten, trotzdem knabbert man das Büchle schnell auf. Das ist schon okay, wenn man nachts noch zwei Stunden Zeit übrig hat. Ansonsten thrill as usual.

Durchgerutscht als Hardcover, jetzt aber als Taschenbuch: Der Janusmann von Lee Child (Blanvalet). Böser Plot, rasant geschrieben, intelligent gedacht, wirklich gute Twists, keine Füllsel, kein Gewese, kein Rumgerede. Und letztendlich sehr realitätstüchtig. Kuschelfaktor null. Gut so!

 

© Thomas Wörtche, 2007

 

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