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Planlos in Kapstadt

Südafrika ist zum Land großartiger Kriminalliteratur geworden. Neu erschienen ist von Mike Nicol der Roman »Payback«, erster Teil einer kriminalliterarischen Trilogie über das Neue Südafrika seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Nicol erzählt von der Vergangenheit, die zurückschlägt, und porträtiert eine Gesellschaft, die eigentlich in Frieden leben möchte, aber nicht zur Ruhe kommen kann.

Von Thomas Wörtche

 

Payback

Südafrika zeigt sich immer mehr als Nährboden für großartige Kriminalliteratur. Nach Andrew Brown, Deon Meyer und Malla Nunn gibt es auch bei uns Neues von Mike Nicol zu lesen. »Payback« ist der erste Teil einer Trilogie über das "neue Südafrika" ab Ende der 1990er Jahre. Hier wendet sich der renommierte Lyriker und etablierte Romancier, der spätestens seit 1989 den Polit-Thriller immer wieder als Erzählform genutzt hat, den Verflechtungen von Politik, Organisiertem Verbrechen und dem Wunsch nach "Normalität" zu.

»Payback« spielt im Jahr 1998. Mace Bishop und Pylon Buso waren Waffenschmuggler im alten Regime. Kein schönes Geschäft damals, eine Menge "Kollateralschäden", Korruption, wechselnde Koalitionen, die CIA und andere global players mittendrin. Jetzt versuchen die beiden, bürgerlich zu werden, raus aus den Grauzonen der Politik und des Verbrechens zu kommen, ihr Dasein einigermaßen legal zu fristen. Sie gründen eine Security-Firma, die reichen Ausländern ein Kombi-Pack aus Schönheits-Chirurgie und Luxus-Jagdsafari anbietet. Alles scheint gut, aber die Vergangenheit ist nie zu Ende. Mace und Bishop werden erpresst, sie sollen Unterwelt-Typen und Drogenhändler schützen, sie sollen wieder Waffendeals mit Ex-CIA-Leuten durchziehen, alte Rechnungen aus den Kriegstagen werden präsentiert und Bishops Familie gerät mitten in den ganzen blutigen Wahnsinn.

Mehr darf man nicht verraten, weil Nicol sehr feinmaschig erzählt und dabei dennoch völlig im Vagen lässt, ob die Story nun nach Kontingenz-Prinzipien gebaut ist oder einem Masterplan folgt.

Nicol versucht, der komplexen Realität namens Südafrika mit erzählerischer Opulenz zu Leibe zu rücken, auch wenn die manchmal sehr lakonisch und cool daherkommen kann. Wir sehen eine Gesellschaft, die wie die beiden Helden zur Ruhe kommen möchte, es aber auf Grund ihrer Geschichte und ihrer Disposition nicht kann. Schwarz und weiß gibt es bei Nicol noch nicht einmal als Grauwert. Seine Helden sind kleine Menschlein, ausgekocht und abgezockt, aber auch verführbar, schusselig, gleichgültig, notfalls gewalttätig und stur. Nichts klappt in diesem Buch, nichts läuft nach Plan, niemand ist so, wie man denkt.

Überraschend ist nicht, dass Nicol Politik und Kriminalität, Korruption und Gier, Heuchelei und Gesinnungsterror als Facetten der südafrikanischen Normalität zeichnet. Überraschend ist auch nicht, dass er an diesem Thema die Verfehlungen der Sieger aufhängt, die sich bisweilen mit den Feinden von damals arrangiert haben. Überraschend ist, dass er das alles mit überraschenden kleinen Wendungen tut, die schlecht ausrechenbar sind und uns warnen sollten, zu wissen, "wie der Hase läuft". Sowohl im Hinblick auf die Machart von Kriminalliteratur als auch im Hinblick auf die gesellschaftlichen Realitäten, mit denen sie sich beschäftigt.

Deswegen und wegen dem Witz, der Coolness, der Eleganz der Handlung und der Dialektik zwischen Wucht und Beiläufigkeit des Erzählens und des Erzählten ist »Payback« ein großer Wurf.

 

Mike Nicol: Payback. (Payback, 2008). Thriller. Aus dem südafrikanischen Englisch von Mechthild Barth. Deutsche Erstausgabe. München: btb bei Goldmann, 2011, btb Taschenbuch Nr. 74283, 573 S., 9.99 Euro (D).

© Thomas Wörtche, 2012
(Deutschlandradio Kultur,
06.01.2012
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über Mike Nicols Roman finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1645300/ oder gleich hier zum Reinhören (.mp3).

 

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