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Ethik-Fallen

Nach Easy Rawlins und Socrates Fortlow hat der US-amerikanische Schriftsteller Walter Mosley seinen dritten Private Eye Leonid McGill erfunden, der mehr noch als seine beiden Vorgänger eine Referenz auf die klassischen Muster des Privatdetektiv-Romans ist. Der Ermittler hat nach einem traumatischen Erlebnis mit seiner "dunklen Vergangenheit" gebrochen und versucht sich im "guten Handeln", was in McGills Welt nicht immer auf Gegenliebe stößt.

Von Thomas Wörtche

 

Manhattan Karma

Klassische Privatdetektiv-Romane kommen in die Jahre. Ihre großen Zeiten, die Periode von 1930 bis 1960 und das Revival in den 1980er/1990er Jahren, haben sie benutzt, um ihr Grund- und Leitmotiv weidlich zu variieren: Der private eye hat einen Klienten, der ihn für undurchsichtige Ziele aufs Kreuz legen will, auf dass der Detektiv um sein Leben und - vor allem - um seine Integrität kämpfen muss. Auch Walter Mosleys neue Serie um den ebenfalls in die Jahre gekommenen schwarzen yPrivate Investigator Leonid McGill folgt diesem klassischen Muster. So sehr und so selbstreferentiell auf die Klassiker des Subgenres bezogen, dass man schon beinahe von Neo-Klassizismus zu reden versucht ist.

McGill, Sohn eines Kommunisten, verheiratet mit einer notorisch untreuen Frau, verantwortlich für eine Schar von Patchwork-Kindern, deren eines ein veritabler und charmanter Gangster ist, lebt deutlich in zwei Welten: In der des heutigen New York City und in der, die literarisch von Chandler & Co. geprägt ist. McGill hat das, was man eine "dunkle Vergangenheit" nennt - einst war er der Lieblingsdetektiv von allerlei Gangstern und anderer dubioser Gestalten und Vereinigungen; kein Deal war ihm zu schmutzig, kein Job zu eklig, wenn nur die Kohle stimmte. Jetzt will er - nach einem traumatischen Erlebnis, das wir vermutlich erst in den nächsten beiden Bände der Serien richtig kennenlernen werden - endlich gut handeln. Womit er sich aber nur einen durchgeknallten Killer auf den Hals zieht.

Gutes Handeln allerdings, in einer Welt, die alles andere als das favorisiert und belohnt, war immer Mosleys Leitmotiv: in seinen historischen Krimis um den Privatdetektiv wider Willen Easy Rawlins, der Mosley international bekannt machte, und in den Episodenromanen um den Mörder und Ex-Knacki Socrates Fortlowe, die das "gute Handeln" offen diskutieren.

Für McGill baut Mosley gleich mehrere Ethik-Fallen: Er muss seinen kriminellen Sohn daran hindern, einen Mord zu begehen, er muss ein armes, superreiches Mädchen beschützen, sich selbst retten und überlegen, ob er einem Mafioso dessen entlaufenen Buchhalter ausliefert, was für den final enden würde. Dazu rast er durch ein New York, das von Schattengestalten bevölkert ist, die allesamt aus den Universen von Jerome Charyn oder Chester Himes stammen könnten. In Renaissance-Outfits residierende Polit-Profis, die die Stadt kontrollieren, Super-Spezialisten für Mord und Elektronik, Hoodies, multitalentierte Huren und ganze schräge Biotope mehr. Manche Szenen und Szenarien wie der Wohnsitz eines bösen alten Mannes sind direkte Zitate, so wie die Treibhausszene aus Chandlers "The Big Sleep", die Mosley hier neu aufbaut. Ähnlich schnell springen McGills Gedanken von einer Zeitebene in die nächste, ein Leben in Rückblenden, aufgesplittert in Episoden, kleine narrative Vignetten und manchmal sogar Gleichnisse.

Der für Mosley aber wichtigste Subtext tickert die ganze Zeit: Auch wenn das Buch 2008 spielt und Obama sich anschickt, Präsident zu werden und sich in den USA vieles geändert hat - dass diese Gesellschaft immer noch tief rassistisch ist, das strahlt jede Zeile des Romans ab. So präzise der gute, alte PI-Roman nachgebaut ist, so deutlich und unbarmherzig verweist er bei Mosley auf die Signaturen der heutigen Zeit.

 

Walter Mosley: Manhattan Karma. (The Long Fall, 2009). Roman. Aus dem Ameirkanischen von Kristian Lutze. Deutsche Erstausgabe. Berlin: Suhrkamp, 2011, 389 S., 9.95 Euro (D).

© Thomas Wörtche, 2011
(Deutschlandradio Kultur,
30.06.2011
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über Walter Mosley' Roman finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1445312/ oder gleich hier zum Reinhören (.mp3).

 

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