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Aufs Kreuz gelegt

Der Szenarist Matz und der Zeichner Paolo Bacilieri machen aus einer literarischen Vorlage Daniel Chavarrías, die nicht wirklich zu den Meisterwerken der kubanischen Literatur zu zählen ist, einen Comic, der prächtig funktioniert.

Von Thomas Wörtche

 

Adios Muchachos

Alicia hat einen hübschen Hintern und lange Beine, die in Kombination mit einem Miniröckchen auf dem Fahrrad taktisch klug eingesetzt, bei manchen Herren am Steuer Irritationen auslösen. Die Folge: Leichte Fahrfehler, leichte Unfälle und schon hängen die Typen bei Alicia am Haken und werden abgeschleppt, umgarnt, umcirct und natürlich ausgenommen wie die berühmte Weihnachtsgans. Nicht, dass Alicia in ihrem eigenen Selbstverständnis (oder dem ihrer fleißig beim rip-off assistierenden Mutter) anschaffen würde - die Damen versuchen nur, im Havanna des Jahres 2005 auf einem gewissen Niveau zu überleben. Dann aber erwischt Alicia den Falschen - einen abgekochten, cleveren Manager, der für eine Investment-Firma arbeitet, die sich in Kuba mit einem schrägen Tourismus-Projekt - eine Art theme park für tauchende Freizeitschatzsucher - und einer Investitionssumme von 350 Millionen Dollar auch in den Herzen und Geldbeuteln der Regierung festsetzen möchte. Manager Juanito durchschaut Alicia ziemlich schnell und dreht den Spieß um. Er manipuliert sie. Und so beginnt das alte, aber immer wieder vergnügliche Gauner-gegen-Gauner-Spiel, bei dem es darum geht, wer wen flach und wer wen aufs Kreuz legt, was zwei unterschiedliche Dinge sind.

Der Szenarist Matz (= Alexis Nolent) und der Zeichner Paolo Bacilieri haben diese luftig-witzig-makabre Story aus dem Roman »Adiós Muchachos« des uruquayischen Romanciers Daniel Chavarría destilliert. Chavarría, der seit Ewigkeiten auf Kuba lebt und zum Urgestein der dortigen Kriminalliteratur gehört, ist weder für seine feministischen Positionen noch für bemerkenswert kritische Distanz zum Regime bekannt, und die Vorlage, bei uns als »Die Radfahrerin« 2000 erschienen, muss man nicht zu den Meistwerken der kubanischen Literatur zählen.

Als Comic allerdings funktioniert die Geschichte prächtig, weil Bacilieri und Matz mit den kubanischen Verhältnissen unhysterisch umgehen. Weder aus dem Rott, dem Verfall und der Korruption, den alltäglichen Misslichkeiten und den Versorgungsengpässen - alles Themen, die in den Bildern stecken - , noch aus dem Luxus der Eliten und der Begehrlichkeiten des Kapitals - in den Bildern und der Story gleichermaßen vorhanden - entwickeln sie Thesen oder größere ideologische Diskurse. So werden Havanna und Kuba zum Schauplatz, dessen politische und soziale Spezifik garantiert und für die Story unabdingbar bleibt, durch die Erzählweise, die prächtig-leuchtenden Farben (von Roman Trystam), die Story-Twists und die Freude an schönen Körpern an das hier und heute einer globalisierten Welt angeschlossen. Komödien, die in unschönen politischen Gegenden angesiedelt sind, funktionieren nicht, wenn sie in einem einvernehmlichen Verhältnis zur Macht stehen. Gerade erotische Komödien können dann besonders schal werden. »Adios Muchachos« kennt nur Einvernehmlichkeit mit eleganten Bildern.

 

Paolo Bacilieri / Matz / Daniel Chavarría: Adios Muchachos. Hamburg: Schreiber & Leser, 2012, 122 S., 21.80 Euro (D).

© Thomas Wörtche, 2012
(Literaturnachrichten,
29. Jahrg., Nr. 115, Winter 2012
)

 

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