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Ein Index interessanter Themen

Thomas Wörtche über die Kultzeitschreift "du" und ihre John Le Carré-Ausgabe

 

"du", die monatliche Illustrierte aus dem "TA Media" Verlag zu Zürich, hat zurecht Kultstatus und ist als Sammlerobjekt heiß begehrt. Für das berühmte Miles-Davis-Heft von 1989 habe ich neulich ein paar Hunderter beim Antiquar abgedrückt. Das Erfolgsrezept von "du" beruht auf einem schlichten Distinktionsgewinn. Während man in fast der gesamten Presselandschaft bemüht ist, die pp. Leserschaft für blöd zu erklären und alles in noch ödere, kleinere Texthäppchen mit möglichst schrillen Fotostrecken zu zerlegen, um ja nicht so was wie inhaltliche Kriterien aufkommen zu lassen (was qualifizierte Mitarbeiter erspart), geht "du" den umgekehrten Weg: Man läßt sich pro Heft Zeit für ein Thema, gibt den Autorinnen und Autoren splendiden Platz für ihre Artikel und Reportagen und kümmert sich um wirklich erstklassige Fotos. Die Themenpalette ist erfreulich breit, ein Schwerpunkt ist Musik (Hefte zu Schlagzeugern, Jazz-Sängerinnen, Tango etc. wagen die Balance zwischen Trend und Anti-Trend), ein anderer Literatur, ein dritter soziale Phänomene wie "Suburbia". Zwanzig Mark sind ein fairer Preis, zumal die Hefte meistens mit einem nützlichen Serviceteil (Disko- und Bibliographien usw.) ausgestattet sind. All at all ein bestechendes Konzept. Auf den ersten Blick jedenfalls. Wer sich von "du" anregen läßt, weil er sich bisher noch nicht mit einem Thema beschäftigt hat, oder wer sich neue Welten aufschließen lassen will, der ist bestens bedient und bekommt einen ersten sinnvollen Überblick. Wer allerdings aus Neigung, Zufall oder Profession ein Thema schon gut kennt und sich auf Mehr, auf Außergewöhnliches freut, der wird hin und wieder arg enttäuscht. Klar, jedem kann man's nicht recht machen, aber vielleicht könnte man in Zukunft allzugrobe Ausreißer vermeiden.

Das aktuelle Heft (3/98) über John le Carré mit dem schönen Titel "Alle Arten von Verrat" zeigt alle Schwächen und Stärken des Konzepts "du" mustergültig. Zu letzteren gehören deutlich die eindringlichen Fotos von Daniel Schwartz, die le Carré beim Herumstöbern im "neuen" Berlin zeigen - an den Resten der Mauer zum Beispiel, die er definitiv zum "Schauplatz der Weltlliteratur" gemacht hat. Mit seinen sparsamen, aber umso eindringlicheren Szenen in "The Spy Who Came In From The Cold". Dazu ein Porträt von Chefredakteur Dieter Bachmann, dessen Artikel zu le Carré seit je zu den klügeren Sachen gehören, die in der deutschsprachigen Presse zu lesen waren. Sinnvoll auch die Idee, David Cornwell alias John le Carré mit eigenen Texten zu Wort kommen zu lassen und ihn zudem von Ex-KGB-Mann Michail Ljubimov einer interessanten Außenperspektive auszusetzen. Eine liebevolle le Carré-Chronik schließlich macht das Heft benutzerfreundlich für alle, die spätestens jetzt kapiert haben, daß dieser Mann nicht nur Spionage-Schmöker geschrieben hat, sondern zu den großen Gestalten der Literatur dieses Jahrhunderts gehört.

Dieser Eindruck allerdings wird fast wieder verblödelt, wenn Gerhard Henschel le Carrés Figur Smiley beliebigerweise mit "Detektiven" aus Krimalromanen vergleicht: Mit Pater (!) Brown, Inspector Columbo oder jemandem namens "Fizz" (kein Druckfehler, weil durchgehend so geschrieben). Fitz aus der englischen TV-Serie "Cracker" mit Smiley in einen Zusammenhang zu bringen, heißt nun aber, lautstark zuzugeben, daß man gar nichts kapiert hat: Nämlich den Unterschied zwischen le Carré (und Ambler und Greene und Co.) und "Kriminalliteratur". Das ist so, als ob man Sempés Männchen mit denen von Walt Disney vergleicht, weil beide gezeichnet sind. Man kann es machen, aber es bringt nichts. Überhaupt: Der Rahmen, in den "du" le Carré unter der Rubrik "Genre" einordnet, ist nichtssagend geraten. Manfred Pabst wartet mit einem routinierten Artikel über Eric Ambler auf, der zum tausendsten Mal auf dessen Rezeptionsfalle reinfällt, er wolle nämlich "den Leuten erklären, wie es zugeht auf der Welt". Und Georg Brunold scheint - in einem Allerweltsartikel über Graham Greene - Somerset Maughams "Of Human Bondage" für einen Spionageroman um seinen Geheimagenten Ashenden zu halten. Was falsch ist. Daß es wesentlich spanndender sein könnte, le Carré im Kontrast zu seinem transatlantischen Kollegen Ross Thomas etwa zu diskutieren, ist nirgends auch nur angedeutet. Denn der hat nicht wie Greene den Katholizismus und le Carré die eurozentrische Bildung (Thomas Mann, Grimmelshausen) zu bieten, ist als als Romancier des "Verrats" und der maliziösen politischen Analyse le Carré absolut ebenbürtig. Es würde le Carré keinesfalls beschädigen, wenn man ihn der kritischen Konfrontation auszusetzte. Für "kritische Töne" darf in diesem Heft dagegen der "Frauenstandpunkt" herhalten. Den gibt diesmal artig Renée Zucker und nörgelt, sicher vollinhaltlich berechtigt, an le Carrés Frauengestalt rum, wobei sie nur schlecht verbergen kann, daß sie viel lieber über Kinofilme schreiben würde, die sie gesehen hat, anstatt über dicke Romane.

Das eben gibt es in fast jedem Heft: Bei aller Substanz rutschen Texte hinein, die dem angepeilten Niveau nicht angemessen sind, oder außer dem Namen des Verfassers nichts bieten und dem Gegenstand nicht gerecht werden.

Aber was soll's. Als Interesseöffner und als Index für Themen, die interessant sein sollten, ist "du" eine erstklassige Adresse.

© Thomas Wörtche, 1998
(taz)

 

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