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Cream of Crime 12/1993

Geoffrey Household: Einzelgänger, männlich

 

Wenn Autoren wie Julian Rathbone oder Ross Thomas über ihr eigenes Metier (politische Romane, vulgo Polit-Thriller der Spitzenklasse) laut nachdenken, dann fällt dabei unweigerlich der Name Geoffrey Household. Gemeint ist dessen Roman "Rogue Male" von 1939, der jetzt unter dem Titel "Einzelgänger, männlich" in einer preisgünstigen Taschenbuchausgabe zu haben ist. Die Bewunderung für den writers' writer Household, der nur mit eben diesem Roman einen gewissen Publikumserfolg verbuchen konnte, bevor er wirklich für den britischen Geheimdienst zu arbeiten begann, ist nur zu verständlich: "Einzelgänger, männlich" verzahnt Action und Diskurs untrennbar zu einer, bei aller Klarheit und Direktheit der Schilderung beinahe surrealen Prosa.

Ein Mann ist auf der Flucht (neben den Büchern von John Buchan ist Households Roman auch einer der Klassiker des Subgenres "man-on-the-run"), entledigt sich nach und nach seiner Identität und haust schließlich in einer Erdhöhle, die er nur verläßt, um in der englischen Zivilisation Verwirrung und Ratlosigkeit zu stiften. Die Gründe für seine Flucht sind von beklemmender Un-Logik: Er wird bei einem Attentatsversuch auf einen namenlosen Politiker (gemeint ist Adolf Hitler) ertappt, entkommt aus Deutschland nach England, kann sich aber den eigenen Behörden nicht offenbaren, weil er als Patriot seine Regierung nicht in den Verdacht des Auftragsmordes bringen will, und wird letzendlich von dem Nazi-Agenten Major Quive-Smith in einem Hohlweg in Dorset festgenagelt. Diese Handlungsskizze beschreibt die Action, die ihrerseits genug Spielraum zu symbolischen Auslegungen anbietet - die Flucht des Helden im totalitären Herrschaftsbereich verläuft gleichsam offen, weil er von Teilen der Bevölkerung Solidarität erfährt und andererseits den autoritären Charakter der anderen Teile funktionalisieren kann; im demokratischen England wird er in den Untergrund, buchstäblich, getrieben, und kann sich nur nachts bewegen, um nur ein Beispiel für die grundsätzliche Mehrfachcodierung von "einfachen" Handlunsgmustern zu geben.

Die Un-Logik des Fluchtmotivs, also der Anlaß der Action, ist mit der allmählich sich herausbildenden psychologischen Tiefenstruktur des einsamen Flüchtlings verknüpft. Es war, so muß er sich im Moment der größten Gefahr selbst eingestehen, um überhaupt überleben zu können, weder ein sportliches Motiv (Adolf Hitler ist "einer der zwei oder drei schwierigsten Abschüsse der Welt"), noch ein offenkundig politisches, sondern Rache für die Frau, die unser Held einst geliebt hatte und die vor einem deutschen Peloton geendet war. In der persönlichen Rache schießlich liegt der wirkliche politische Grund: "Überzeugungen? Politik? Religion? ...Die Erhaltung eines Individuums, ... das Leben ist es ..., wofür wir kämpfen." Formuliert werden solche Sätze in der Situation des Showdowns zwischen Held und Agent, zwischen den Systemen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, wobei der eine Kombattant lebendig begraben erscheint, der andere ein wissenschaftliches Experiment vortäuscht. Und noch eine zweite, folgenreiche Implikation enthält Households Roman. Nicht nur die politische Topographie sollte sich bald ändern, geändert hat sich schon, wie der Held selbstkritisch bemerken muß, die anthropologische Topographie: "Man sollte ein Tier stets in seiner natürlichen Umgebung jagen; und die natürliche Umgebung des Menschen ist - heutzutage - die Stadt". An Households Buch schließlich wird klar, warum Hochspannung ein unabdingbares poetologisches Instrument ist, ohne das "Erzählen" schnell eine fatale Angelegenheit wird.

© Thomas Wörtche

 

Geoffrey Household:
Einzelgänger, männlich
(Rogue Male; 1939).
Verfolgungs-Thriller. Aus dem
Englischen von Michael Bodmer.
Zürich: Haffmans, 2000;
208 Seiten, DM 16.00

Einzelgänger, männlich

 

(Die Rezension bezieht sich auf die Ausgabe Haffmanns bei Heyne, München 1993).

 

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