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Cream of Crime 11/1996

Gisbert Haefs: Das Kichern des Generals

 

Es kann schon fast als Allgemeinplatz gelten, daß die interessanteren, spannenderen und vergnüglicheren Büchern außerhalb des "Literaturbetriebs", der hermetischen Zirkel von Preisverleihungen, Stipendien und Literaturförderungsfonds entstehen. Genausowenig originell ist im Grunde die Erkenntnis, daß Romane, die irgendein begriffliches Problem ("Innovation", "die Sprache", "Erzählen heute" oder sonst dergleichen Themen für alimentierte Insider) wälzen, sterbenslangweilig sind und entscheidende Dimensionen von Literatur brachliegen lassen.

Wer einen Roman erzählt, der soll etwas zu erzählen haben, und er soll seine Freude am Erzählen seinen Lesern zeigen. Zum Beispiel kann man den Schauplatz eines Buches so einführen: "Wenn Südamerika der Arsch der Welt ist und Paraguay das Arschloch, dann ist Ciudad del Este das fieseste Hämorrhoid".

In diesem Cuidad del Este spielt Gisbert Haefs' neuer Roman "Das Kichern des Generals", dessen Qualitäten sich aus der ungebremsten Spielfreude des Autors herleiten, mit der er aus den tatsächlichen Gegebenheiten dieser merkwürdigen Stadt im Dreiländereck von Paraguay, Brasilien und Argentinien und dem, was man sich dazu denken kann, eine bösartig-komische Geschichte strickt. Wer auf älteren Atlanten nach Ciudad del Este sucht, muß unter Puerto Presidente Stroessner nachschauen; Stroessner war bekanntlich das Scheusal von Diktator, das Paraguay als Prototyp einer durchgeknallten Bananenrepublik so richtig weltweit bekannt und beliebt gemacht hat. El viejo general - der alte General, der selbstredend mit Stroessner gar nichts zu tun hat, sitzt in Haefs' Buch auf der anderen Seite der Brücke (die Cuidad del Este so nützlich für alle möglichen obskuren Aktivitäten macht) in Brasilien und langweilt sich. "Er mochte keinen Staat mehr als Privatbesitz leiten", aber die Lust an einem guten Coup ist ihm noch nicht vergangen. Also zieht er an ein paar Fäden, und die Leichen fangen an, sich zu häufen.

Zugute kommt der Geschichte dabei, daß sich sowohl in der Realität als auch im Roman alle möglichen Organisationen in Ciudad del Este tummeln - die DEA, die CIA, chinesische Triaden, kolumbianische Kartellleute (der einzige Wehmutstropfen im Roman: So einfach, wie Haefs es darstellt, steht es mit Calí und Medellín nicht ganz), der Mossad und die Hizbollah (tatsächlich ging das Attentat auf die Synagoge in Buenos Aires vor ein paar Jahren von Ciudad del Este aus), die diversen untereinander zerstrittenen Militärformationen der paraguayischen Armee, der brasilianische Geheimdienst, der paraguayische Geheimdienst, die örtliche Polizei, die entsprechenden britischen und französischen Organisationen, die im Roman im Moment aus guten Gründen leider "gar nicht zu Hause" sind. Damit, so Haefs' richtige Überlegung, müßte sich was machen lassen. Also überlegt sich El viejo general, wie er all die reizenden Herrschaften dazu kriegen kann, direkt für seinen Geldbeutel zu arbeiten. Er schafft es, soviel sei verraten. Und bis es soweit ist, setzt uns Haefs einem ironischen Dauerbombardement aus menschlicher Verschlagenheit, beiläufiger Brutalität, raffinierten Winkelzügen und gemeinster Manipulation aus. Die wiehernde Freude des Autors am Stoff, den die Wirklichkeit als Füllhorn spendet, spürt man auch an den kleinen absurden Details, die er immer wieder einbaut. So erscheint als plausibler Wirtschaftszweig in diesem "Hämorrhoid" das Recyclen gebrauchter Kondome. Nein, "Das Kichern des Generals" ist kein Buch für den "Betrieb", sondern eines für Leser. Es könnte auch "Das Kichern des Autors" heißen.

© Thomas Wörtche

 

Gisbert Haefs:
Das Kichern des Generals.
Roman.
München: Heyne 1998
(Zürich: Haffmans Verlag 1996).
254 Seiten, DM 14.90

Das Kichern des Generals

 

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