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Cream of Crime 9/1996

Laurence Shames: Sunburn Oder Stille Tage in Key West

 

Als vor über zwei Jahren im Krüger-Verlag die federleichte Komödie in Romanform "Florida Straits" des hierzulande ganz und gar unbekannten Laurence Shames erschien, vergurgelte sie unter dem Gewicht der "großen" literarischen Würfe, an die sich heute zurecht kein Mensch mehr erinnert, und fand praktisch in der deutschen Öffentlichkeit nicht statt. Das war schade, denn "Florida Straits" war etwas sehr seltenes: Ein komischer, heiterer und kein bißchen alberner Roman über einen recht unbegabten Mafioso aus New York, der versehentlich in Florida den Coup seiner Lebens landet. Glücklicherweise hat sich für Shames zweites Werk über den traditionellen Mafia-Altersitz Florida noch einmal ein deutscher Verlag gefunden. "Sunburn oder Stille Tage in Key West" heißt das Buch, das etwas weniger komödiantisch, dafür melancholischer und poetischer daherkommt.

Vincente Delgatto ist zwar der gerade amtierende capo di tutti capi, aber er hat keine rechte Freude mehr an seinem Beruf. Er ist alt und müde, und die Cosa Nostra ist auch keine allzu große Nummer mehr in den USA. Was ist schließlich das organisierte Verbrechen gegen die Reaganomics oder Clintons neue Sozialgesetze ? Mafia-Boss ist ein eher langweiliger Verwaltungsjob, den man vom Telefon aus erledigen kann, schließlich balgt man sich nur noch um ein paar Gewerkschaften, und die obligaten Kriege zwischen den Familien werden eher mürrisch routiniert durchgezogen.

Selbst das FBI ist eher mit internen Intrigen und Jobsicherung befaßt. Don Vincente möchte lieber gärtnern, sich mit seinem alten Freund Andy, the Dandy, der auf Key West seinen Ruhestand genießt, über alte Zeiten unterhalten. Und seine Memoiren schreiben. Dumm ist bloß, daß Vincente einen Sohn hat, der vor Ehrgeiz glüht und die Zeichen der Zeit total verkannt hat. Bedauerlichweise ist er auch noch ein skrupelloser Feigling und obendrein strohdumm. Diese letzte Eigenschaft teilt er mit einem muskelbepackten jungen FBI-Schnösel, der auch unbedingt etwas werden will. Und so nimmt das Unglück seinen Lauf, wenn nicht, tja ... Es sei nur soviel verraten, daß die Verdauungstörungen eines asthmatischen Chihuahuas, der totale Mangel an Ehrgeiz eines Lokaljournalisten und das Vorurteil, rothaarige Hundepflegerinnen mit großem Busen seien dumm, eine tragende Rolle spielen.

Besonders erfreulich ist, daß auch dieser so leicht daherkommende Roman von Laurence Shames so schöne Implikationen hat. "Das Verbrechen", "die Mafia", all die mythisch-magischen Namen und Gestalten sitzt endgültig auf dem Altenteil, Rentner unter Rentnern im Rentner-Staat. Was natürlich den Schluß nahelegt, Mafia sei eigentlich schon immer eine Geschäfts- und Gesellschaftsform unter anderen Geschäft- und Gesellschaftsformen gewesen; interessant und ausgezeichnet nur durch eine spezifische Art der künstlerischen Darstellung durch Buch und Bild. Genau darum geht es nämlich: Vincente läßt von einem Ghostwriter seine Memoiren aufschreiben. Was wird er für ein Bild von der Mafia entwerfen? Was wird er verraten? Das FBI und die Konkurrenz sind sich einig. Es darf nicht sein. Wir müssen an das Manuskript. Und deswegen ist "Sunburn" dann plötzlich ein Buch über das Schreiben. Über die Macht der Fiktion. Oder über ihre Ohnmacht?

Es gibt vermutlich noch eine dritte Gruppe von Interessenten, die so gar keine Freude an Don Vincentes Plaudereien haben dürfte. Diejenigen, die in Bild und Ton, in Literatur und Journalismus das Verbrechen immer wieder zum schockierenden Außerordentlichen stilisieren wollen. Die Knorpelsäcke von Key West passen da nicht ins Bild.

© Thomas Wörtche

 

Laurence Shames:
Sunburn Oder Stille Tage in Key West
(Sunburn, 1995). Roman.
Deutsch von Jacqueline Csuss
München: Goldmann Verlag 1998
(München/Wien: Europaverlag 1996.)
344 Seiten, 14.90 DM

Sunburn Oder Stille Tage in Key West

 

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