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Cream of Crime 4/1999

Peter Johannes: Perlen für die Säue

 

In ganz seltenen, nie zur Nachahmung empfohlenen Fällen, sind Krimis ideale Vehikel zum Spotten, Speien und überhaupt die Sau rauslassen. In Krimis kann man lustvoll die hinmetzeln, die schon längst drangewesen wären, und man kann es auch noch völlig ungestraft haargenau so machen, wie man sich das vorstellt. Krimis, so gesehen, sparen Geld für den Psychiater oder den Strafverteidiger.

Unser Autor, wir wollen ihn Peter Johannes nennen, läßt in "Perlen für die Säue" seinen niederen Instinkten freisten Lauf. Nach langen Jahren im "Magazin-Journalismus" hat er vermutlich tausend gute Gründe, den Chefredakteur der "Wichtigen", einem Hamburger Krawall-Blatt irgendwo zwischen, sagen wir "Gala" und "Tempo", mit heruntergelassen Hosen, Monica-Flecken auf dem Beinkleid und mausetot enden zu lassen. Wolfgang Wedel-Mayer hieß die Sau, der Pop-Star unter den Chefredakteuren, der vom Verleger Georg Claas angeheuert worden war, um die "Wichtige" wieder auf Vordermann zu bringen. Auflage ist alles, Moral ein unverständliches Phonem. Wedel-Mayer steht vor dem Scoop seines Lebens: Aus trüben Quellen hat er Fotos vom Ministerpräsidenten (SPD) eines neuen Bundeslandes, der allzu grob mit der PDS schäkert und vor allem Verleger Claas nicht in den Kram paßt. Der hätte nämlich lieber einen CDU-Mann als Landesfürsten, weil der ihm dringend benötigte Fernsehlizenzen zuschustern könnte. Auf den Fotos nun ist der SPD-Mann anscheinend ertappt: Bei pornographischen Turnübungen in der Badewanne (!), mit Krawatte, entblößtem Geschlechtswerkzeug und vermutlich minderjährigen Gespielinnen.

Um diese Fotos herum entwickelt sich nun ein dito unappetitliches Ränkespiel, bei dem Johannes alles mitmischen läßt, was sich - laut Klischee wie auch Realität - in der Branche alles tummelt. Wir kennen sie alle - als Typ und als echte Phänomene. Den verblasenen Kulturredakteur, der schon bessere Tage gesehen hat und jetzt entwürdigenden Life-Style-Quack verzapfen muß, die ambitionierte Art Directorin mit frustriertem Sexualleben, das geile junge Pärchen, das sein Geschlechtsleben zum öffentlichen Thema macht, den in der Wolle gefärbten Rassisten im Innenresort, das Junggenie mit den unverständlichen Sätzen, alle anderen Sorten von Schleimern, Opportunisten, Dummnicks, Rückversichereren, Weicheiern und Dumpfbacken selbstverständlich auch.

Wer den Oberrüpel von Chefredakteur schließlich umgebracht hat, das soll der "Krimi" klären. Zunächst geraten alle in Verdacht, weil alle Gründe haben. Die Putzfrau, weil "Die Wichtige" ihren Lieblingsopernsänger mit Dreck bewirft, die Gattin des Opfers, weil das auch privat eine Pottsau ist, die Vorzimmerdame, die er, klar, sexuell belästigt, diverse gefeuerte oder vor dem Rauswurf stehenden Redakteure sowieso. Bei soviel Schmutz, Gemeinheit und Niedertracht auf einem Fleck wäre eigentlich auch die Kollektivlösung à la "Mord im Orientexpress" nachvollziehbar gewesen. Aber glücklicherweise umschifft Johannes diese Klippe elegant, indem er nicht nur die Figuren bis zur Kenntlichkeit karikiert, sondern auch den Krimi parodiert, indem er eine ganze Kette von Lösungen anbietet: eine noch durchgedrehter als die andere.

Den moralischen Sumpf, die kreischende Inkompetenz, das sündhaft frivole Herumpütschern mit der Macht der Vierten Gewalt inszeniert er nicht als "realistische" Abbbildung - die Verleumdungsklagen könnte Johannes auch gar nicht bezahlen - sondern als Stück schmierigen Enthüllungsjournalismus. Form follows topic, sozusagen.

 

© Thomas Wörtche, 1999

 

Peter Johannes:
Perlen für die Säue.
Roman.
Frankfurt/Main: Eichborn 1999,
367 Seiten, DM 36.00

Perlen für die Säue

 

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