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Erinnern Sie sich an Mr. Arthur Gwynn Geiger, der am Hollywood Boulevard, Hollywood (California, USA) eine "Leihbibibliothek für vollendeten Schmutz und Schund", sprich: für Pornos unterhält? Das Ferkelchen mit dem deutschen Namen ist eine der zahlreichen schummrigen Gestalten, die Raymond Chandlers "The Big Sleep" bevölkern. In seinem Buchladen gibt es ein diskretes Kabinett, in dem sich die pp. Kundschaft der gehobenen Klassen mit Schweinkram aller Art versorgen kann. Noch so'n Geschäft muß es, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, ein paar Häuser weiter auf dem selben Boulevard in Hollywood (California, USA) gegeben haben: Pinnacle Books, Inhaber Carl Jordan, mit einem diskreten Kabinett, in welchem sich die pp. Kundschaft der gehobenen ...
So steht es jedenfalls in dem munter die Klassiker des California Noir aufrufenden, im gewissen Sinn plündernden Roman "Bogarts Bruder" von John Cassar. Schon der erste Satz bei Cassar ("Es war ein Uhr morgens") spielt auf den ersten Satz von "The Big Sleep" an ("Es war gegen elf Uhr morgens"), aber er spielt eben nur geschickt an, ohne in den Zugzwang des direkten Zitierens zu kommen.
"Bogarts Bruder", dieser Titel meint die Ähnlichkeit von Cassars Hauptfigur, dem Bruder des ermordeten Schmuddelbuchhändlers Jordan, mit dem damals noch nicht allzu bekannten Schauspieler Humphrey Bogart. Dessen Rolle als Philip Marlowe in The Big Sleep von Howard Hawks 1946 hat den Typus des Private Eyes auch optisch ikonifiziert. Verzwickte Verhältnisse also zwischen Fiction und Fakten, zwischen Traumfabrik und Realität. Das Hollywood dieser Zeit war bekanntlich ein Sammelbecken der vertriebenen europäischen Intelligenz (über die wir von John Cassar in schönen Büchern schon viel gelernt haben, auch wenn bei diesen seinen Werken nicht John Cassar auf dem Titel steht - das Verwirrspiel geht weiter), aber eben nicht nur das. Denn auch die amerikanische Innenpolitik (Isolationisten, Kriegsbefürworter, Strömungen mit eigenen kalifornischen Themen wie den Immigrationsbewegungen aus Mexiko etc.) wird im prosperienden Los Angeles ausgetragen. Die amerikanische Linke mischt mit (Hank Jordan, der Held, ist gerade aus dem spanischen Bürgerkrieg, knapp der Hinrichtung entronnen, zurückgekehrt) wie das schon damals notorisch korrupte LAPD und die sich allmählich formierenden Geheimdienste. Außerdem die Häscher des Dritten Reiches, die allen Grund haben, besonders den deutschen Emigranten auf die Finger zu sehen. Aus all dem und etlichen Zutaten der opulenten Art mehr hat John Cassar einen sehr spannenden und sehr amüsant zu lesenden Roman gemacht. Einen Roman, der geschickt den Umstand nutzt, daß wir alle glauben, Zeit und Ort der Handlung bestens aus Film und Literatur zu kennen.
Glücklicherweise hat Cassar keines der üblichen "period pieces" mit Gastauftritten der üblichen Berühmtheiten vorgelegt. Bogart bleibt die Ausnahme. Im Genre der literarischen Klatschspalte ist George Baxt sowieso unschlagbar. Cassar löst den Geschichtsunterricht auf in eine Menge eingelagerter Geschichten und Schicksale und in den eben nur angespielten Bezug auf den "Noir", dessen monoperspektivische Erzählweise (Hank Jordan ist der Ich-Erzähler) er nur formell übernimmt. De facto erzählt Hank Jordan aus vielen vorgeprägten Blickwinkeln von Literatur und Kino, die allesamt mittlerweile kanonisch sind. Das sind sie deshalb, weil sie für Ort und Zeit des Romans sinnvoll gewesen sind, und deswegen kann man mit ihnen trefflich eine Hommage auf eine Schlüsselperiode des Jahrhunderts entwerfen. Das macht Cassars Buch so vergnüglich, kurzweilig und überhaupt nicht monologisch.
© Thomas Wörtche
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John Cassar: |
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Die nächste Ausgabe von "Cream of Crime" erschien erst im April 1998. | |
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