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Cream of Crime 2/1997

P.T. Deutermann: Krieg der Offiziere

 

Viel spricht auf den ersten Blick nicht für einen Roman, der auf deutsch "Der Krieg der Offiziere" heißt, den ein merkwürdiges Schwert-und-Pomp-Titelbild zum Ruhme der US Navy schmückt und der zudem noch durchweg ungeschickt und unbedarft übersetzt ist. Ich wünsche auch dem Autor P.T. Deutermann von ganzem Herzen, daß er nicht wirklich so aussieht wie auf dem Umschlagphoto. Lassen wir zu guter Letzt noch eine schauderhafte Sexszene beiseite (warum hindern Lektoren Autoren eigentlich nicht daran, sich immer wieder an etwas zu versuchen, was in 99,9% der gesamten Weltliteratur danebengegangen ist?) und fahnden auch lieber nicht nach den politischen Ansichten, die der Autor tief im Innern so hegen könnte. Wenn wir dann aber dieses ganze lesehemmende Gerümpel glücklich weggeräumt haben, wird ein erstaunlich intelligenter Roman über einen bürokratischen Moloch sichtbar - über die US Navy.

Bei Deutermann pflügen keine stolzen Fregatten mit wehender Flagge über die tiefblaue See, sondern werkeln in engen, muffigen Büros im Pentagon kleine graue Männchen vor sich hin in Abteilungen, die OpNav oder OP-6-16 oder DCNO heißen. Dienstvorschriften, standardisierte Abläufe, Handbücher und die dauernd wechselnden Direktiven der hohen Politik bestimmen die Arbeit der Behörde. Subtile Rituale, bizarr abgestimmt auf die kleinsten Nuancen der Hierarchie, diktieren die Kommunikation. Die sadistische Pedanterie, die P.T. Deutermann aufwendet, um minutiös den grotesken Tanz der Vorzimmer zu schildern, der anhebt, wenn ein Zwei-Sterne-Admiral in einer Routineangelegenheit einen Drei-Sterne-Admiral anrufen will, spricht Bände über seinen verqueren, mit Verzögerung zündenden, satirischen Blick.

Die Macht in diesem grauen Labyrinth haben pro forma die Chefs, praktisch aber die vorgelagerten Instanzen, die Adjutanten, die Stabschefs, die Vorzimmer und die Schranzen. Also alle, die die bürokratischen Klaviere am besten beherrschen. Die Verständigung erfolgt mittels eines elaborierten "Double Talks", den man immer nur auslegen, aber nie festlegen kann. Die Macht der Chefs ist die Macht der Schranzen. Und wenn ein Chef eine grobe Blödigkeit begeht, dann fängt das Netz der Schranzen an, einen Schutzkokon zu weben.

Deutermanns Roman erzählt die Geschichte einer solchen Aktion. Ein weißer Admiral "kann seinen Pimmel nicht in der Hose halten", sein Verhältnis mit einer schwarzen Untergebenen droht lästig zu werden. Die Vorzimmer werden aktiv, diskrete Anrufe getätigt, die Dreckarbeit schließlich nach Außen vergeben. Aber der "freie Mitarbeiter" im Außendienst pfuscht, plötzlich gibt es zwei Leichen, und die Bürokratie läuft heiß. Verantwortlichkeiten werden hin- und hergeschoben, Strukturen unkenntlich gemacht. Eine Untersuchungskommission wird eingesetzt und wieder zurückgepfiffen, die Bürokatie blockiert, kurz: Kafka war ein kleiner süßer Schwarmgeist. Deutermann ist keiner. Am Ende sind zwar ein paar Köpfe gerollt, ein paar Karrieren eingedellt, aber die eigentlichen Drahtzieher kaum beschädigt.

Seine Brisanz bezieht das Buch aus der Implikation, daß nicht nur die US Navy so tickt, sondern ganz Washington (und also alle Regierungen dieser Welt) und daß das Verschwinden von haftbaren Individuen hinter Strukturen (bei denen man höchstens an der Oberfläche ein wenig kratzen kann) zu den bedrohlichsten Entwicklungen der Moderne gehört. Es gibt keine kriminellen Masterminds, sondern kriminelle Strukturen, und die sind nun mal demokratisch legitimiert. Das ist auch gut so. Das ist die unbequeme Paradoxie, aus der Deutermann einen klugen Thriller gemacht hat.

© Thomas Wörtche

 

P.T. Deutermann:
Krieg der Offiziere.
(Official Privilege, 1995).
Roman. Dt. von Joachim Honnef.
Bergisch-Gladbach: Bastei 1997.
604 Seiten, 14,90 DM

Krieg der Offiziere

 

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