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Robert Schekulin, warum Kriminalliteratur?

 

Es stimmt nicht, dass ich schon immer Krimis gelesen hätte. Obwohl es manchen Lesern meiner monatlichen Kolumne Roberts Krimitagebuch so vorkommen mag, und gelegentlich sogar mir selber. Es stimmt allerdings, leider, dass ich seit fünf Jahren fast nur noch Krimis lese: seit ich im Freiburger UFO die Krimiabteilung betreue.

Als Kind hatte ich überhaupt keine Bücher. Zwar las ich den erstaunten Erwachsenen schon mit sechs aus der Zeitung vor. Aber sonst gab's jahrelang nur "Micky Maus", "Illustrierte Klassiker" und die Schullektüren. Eine Enid-Blyton- oder Karl-May-Phase hab ich komplett übersprungen. Vielleicht versuche ich unbewußt, das alles jetzt nachzuholen?

Der geistig frühreife Teenager vertiefte sich jedenfalls irgendwann mal wochenlang in die Complete Works of Edgar Allan Poe (aber auch wirklich sämtliche Bände - thanks to Carl Schurz Haus!), und später dann schubweise in die Werke von Albert Camus und Raymond Chandler, Max Frisch und Dashiell Hammett, Erich Fromm und Ross Macdonald, Bertolt Brecht und Erich Kästner und Hans Magnus Enzensberger. Es gab ausgeprägte Lyrik-Phasen und verschiedenerlei Wissenschaftsphasen.

Ein langjähriges Chemie-Studium verlief noch langjähriger im Sand, als 1990 zwei zufällige (?) Ramschtisch-Käufe meine Krimi-Phase zündeten. Bastei-Lübbes "Jahrbuch der Kriminalliteratur 1989" von Martin Compart und Thomas Wörtche zeigte mir, dass man Kriminalliteratur zugleich verschlingen und lieben und ernst nehmen und kritisieren kann, dass man sie mit Sachkenntnis und Leidenschaft und Witz loben oder verreißen kann. Und "The Wrong Case" von James Crumley zeigte mir, dass "the private eye will never die", dass mein Lieblingsgenre keineswegs mit den immer wieder gelesenen Klassikern gestorben war.

Was folgte, war Krimi-Fressen. Sara Paretsky, Sue Grafton, Lawrence Block, Jerome Charyn und Carl Hiaasen im Original. Leo Malet und Andreu Martin in den deutschen Ausgaben vom Elster Verlag. Friedrich Glauser, erst in den Arche- und dann nochmals in den Limmat-Ausgaben. Ebenfalls verspätet entdeckte ich nun so wichtige Autoren wie Joseph Wambaugh, Chester Himes, Jim Thompson oder Georges Simenon. Und entwickelte eine Vorliebe für den französischen Roman Noir.

Die große Krimi-Abteilung hier im Freiburger UFO betreue ich seit Anfang 1996 - dank Hannes Riffel (mittlerweile in Berlin in seinem eigenen UFO), der mir damals überraschenderweise einen Quereinstieg ermöglichte in den Traumberuf des "Krimi-Buchhändlers" (und mir damit in gewisser Weise das Leben rettete). Seitdem bestelle, sortiere, verkaufe und lese ich berufsmäßig Krimis. Das Durchtauchen der monatlichen Neuheiten-Schwemme schlaucht mich zunehmend, und immer weniger Krimis lese ich in aller Ruhe und ganz; trotzdem hat die Lust am Genre bislang nicht nachgelassen. Warum eigentlich? Warum Krimis?

Weil gute Krimis realistisch sind, wahrhaftig sind und dadurch auch hart sind, schonungslos klare Blicke auf Wirkliches werfen, mir etwas Neues aus unserer Welt erzählen, ein Thema haben und auch tatsächlich etwas darüber aussagen. Weil gute Krimis Witz haben; ohne Gags oder Ironie oder Sarkasmus wären Literatur und Leben unerträglich. Weil sie Stil haben (Stil ist nicht alles, aber fast), ihr Autor also ein Schriftsteller ist. Weil sie originelle Geschichten erzählen; mit am meisten ärgert mich übrigens, dass dieses Genre wirklichkeitsfremd fast nur von Mord und einer Handvoll weiterer Gewaltverbrechensarten erzählt. Weil gute Krimis spannend sind, wobei das Rätsel oder Geheimnis leider oft nur darin besteht, wer warum wie den Mord begangen hat. Weil sie, wenn aus anderen Sprachen, gut übersetzt und lektoriert sind. Und weil (auch dies den Verlagsleuten hinter die Ohren!) ihre Aufmachung den Bücherfreund erfreut, statt Auge, Hand und Geist zu beleidigen.

Aber vielleicht ist das, alles auf einmal, zu viel verlangt. Vielleicht befindet sich der wahre Krimi-Fan ja auf einer Queste, sucht er unbewußt immer nach dem besseren, dem besten, dem perfekten Kriminalroman.

 

Robert Schekulin,
UFO Buchhandlung Freiburg,
im November 2000

 

Kurzportrait:

Robert Schekulin wurde am 30.10.1960 in Freiburg geboren. Nach dem Abi 1980 beginnt er ein fünfzehn Jahre langes Studi-Leben (Diplom-Chemie ohne Abschluss) und macht nebenbei unterschiedliche Jobs, unter anderem Seilbahnschaffner, zuletzt als Festangestellter im Wareneingang der Herder Buchhandlung. Seit Mitte der 90er Jahre schreibt er Krimirezensionen, erst "Roberts Krimi-Tip" für Radio Dreyeckland, dann Roberts Krimitagebuch im Internet. 1996 steigt Robert Schekulin in die Freiburger Ufo-Buchhandlung ein und ist seitdem verantwortlich für die Krimi-Abteilung.

Robert Schekulins Steckenpferd ist der französische Kriminalroman. Zu diesem Thema finden Sie auch auf der Homepage der U.F.O. Buchhandlung unter http://www.id-online.de/ufo/cool3.htm viele, gute Informationen. Im Augenblick ist er übrigens mit einer vielgerühmten Übersetzungsarbeit beschäftigt: Robert Schekulin überarbeitet für den Argument-Verlag die alten Übersetzungen von Joseph Hansen.

Als Hobbys benennt er: »Lesen, lesen, lesen, und darüber schreiben; außerdem mit dem Fünfgang-Citybike über Land radeln und im spätsommerlichen Urlaub auch gern ein bis zwei Wochen lang alleine durch die Schweizer Alpen; außerdem Kino, Doppelkopf, Single Malts von den Inseln, vor allem Lagavulin...«

Die U.F.O. Buchhandlung in Freiburg gibt es seit 1993. Sie finden die Kollegen in der Rathausgasse 46, 79098 Freiburg. Weitere Auskünfte erhalten Sie unter Tel (0761) 33315 Fax 24516 oder auch auf der Homepage. In Berlin gibt es eine Schwester-Filiale, die Sie in der Bergmannstr. 25, 10691 Berlin (Tel.: 030 - 69 50 51 17, mail: ufobuch@snafu.de) besuchen können. Die Kollegen in Berlin haben allerdings keine Krimis vorrätig

 

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