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Ein Interview mit Walter Satterthwait

 

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»Ich erinnere mich daran, dass ich an jenem frühen Morgen in Nairobi gedacht habe: Hier bin ich also in Afrika, im verdammten Kenia, trinke Rebell Yell Boubon, sitze einer attraktiven Frau mit einem wunderschönen Lächeln an einem Klapptisch gegenüber, die Sonne geht auf, und ich habe gerade einen verdammten Löwen brüllen hören.
Und ich war verdammt beeindruckt von der Welt und von mir, weil ich dazughörte.« Walter Satterthwait

Das Gold des Mayani - sechs funkelnde Kleinode der Erzählkunst um den jungen, starrköpfigen Sergeanten Andrew M'Butu und den kinoverrückten Constable Kobari. Die Stories stammen aus der Feder von einem der besten Autoren der zeitgenössischen Kriminalliteratur: Walter Satterthwait, dem rastlosen Wanderer zwischen den Kulturen.

Walter Satterthwait gibt Auskunft: ein Interview über Afrika, Europa und Santa Fe, und über die Faszination an kulturellen Unterschieden und kulturellen Missverständnissen.

 

Walter Satterthwait kaliber .38: Walter Satterthwait, Ihre schriftstellerische Karriere begann mit zwei Büchern, die nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Würden Sie uns ein bisschen über diese Bücher erzählen und wie Ihre Schreibkarriere anfing?

Walter Satterthwait: Ich habe seit ungefähr meinem zwölften Lebensjahr geschrieben, aber erst als ich Anfang 30 war wurden die ersten Texte veröffentlicht. Meine ersten Bücher- »Cocaine Blues« und »The Aegan Affair« -, waren action-geladene Abenteuerromane, anspruchsvolle Comics, wie ich zu der Zeit meinte. Keines von beiden war wirklich gut, und so war es nicht sonderlich überraschend, dass ich für eine Weile nichts mehr verkaufen konnte. Ich wollte über Afrika schreiben, wo ich zu der Zeit lebte, als ich »The Aegan Affair« schrieb. Doch mein Agent meinte damals, das bringe nichts, weil sich niemand für Afrika interessiere. Dann kamen Wilbur Smith's Romane heraus, die in Afrika spielen, und ich habe meinen damaligen Agenten gefeuert. Mein neuer Agent meinte, über Afrika zu schreiben hätte keinen Sinn, weil bereits Wilbur Smith diesen Bereich abdeckte. Schließlich - ich glaubte nicht mehr daran, einen weiteren Roman verkaufen zu können - schrieb ich eine Kurzgeschichte über Afrika, und es gelang mir - mir persönlich -, die Geschichte sofort an Alfred Hitchcocks Kriminalmagazin zu verkaufen.
In den nächsten Jahren habe ich mehrere Geschichten über Afrika geschrieben, alle mit der Figur des jungen afrikanischen Constable Andrew M'butu. Meiner Meinung nach waren diese Geschichten das erste wirklich Gute, was ich bis dahin geschrieben habe, und ich freue mich, dass diese in dem Buch »Das Gold des Mayani« nun bei Goldmann auf Deutsch erscheinen.
Nachdem ich begriffen habe, dass ich schreiben konnte, worüber ich wirklich wollte, und sich die Sachen auch wirklich verkauften, begann ich wieder Romane zu schreiben. Ich habe das im Nachwort zu »Das Gold des Mayani« ziemlich ausführlich beschrieben.

Das Gold des Mayani kaliber .38: Können Sie uns ein bisschen mehr über die Geschichten erzählen?

Walter Satterthwait: Wie ich bereits sagte, beschreiben sie die "Abenteuer" eines jungen afrikanischen Constables; es sind kurze Geschichten - manche vielleicht so lang, dass man sie als Novellen bezeichnen kann -, in denen er unterschiedliche Kriminalfälle löst.

kaliber .38: Was bringt einen weißen Anglo-Amerikaner dazu über einen schwarzen Polizisten in Kenia zu schreiben?

Walter Satterthwait: Ich habe eine Zeit lang in Kenia gelebt, und mir gefiel das. Und ich mochte meinen Charakter, den jungen Andrew. Oft hat er es mit Europäern und Amerikanern zu tun, Touristen und Ausländern, die dort leben; es ist ein Zusammenprall der Kulturen, der für die beteiligten Menschen durchaus schwierig sein kann, aber für den Zuschauer (und den Leser) auch amüsant und aufschlussreich.

kaliber .38: In den großen Internet-Katalogen konnten wir keine englische Version der Geschichten finden. Wurden die Geschichten nie in Englisch veröffentlicht?

Walter Satterthwait: Doch, ursprünglich in Alfred Hitchcocks Kriminalmagazin, später dann als Sammlung in einer limitierten Edition.

Der Gehängte kaliber .38: Vor kurzem ist »Der Gehängte« in Deutschland erschienen. Es geht dabei um einen Mord in einer Esoterik-Gruppe. Das Motiv scheint eine sehr wertvolle Tarotkarte aus dem 15. Jahrhundert zu sein. Jedes Kapitel ist nach einer Tarot-Karte benannt: Der Narr, Die Hohepriesterin, Der Magier und so weiter. Wie kamen Sie darauf?

Walter Satterthwait: Tarot-Karten haben mich schon immer fasziniert, und ich wollte ein Buch schreiben, das sich ihrer bedient. Die ursprüngliche Idee war es, einen Roman zu schreiben, in dem jedes Kapitel eine der Karten repräsentiert, und zwar genau in der vorgegebenen Kartenfolge. Wie sich herausstellte, musste ich die Karten leicht umstellen. Nach den ersten drei, vier Kapiteln allerdings, konnte ich mich doch an die tatsächliche Ordnung der Karten halten. Das hat Spaß gemacht.

kaliber .38: Die Kriminalliteratur ist voller romantischer Beziehungen. Die Beziehung zwischen Joshua Croft und Rita Mondragon allerdings ist ganz besonders. Seit einer Schießerei, in der ihr Ehemann gestorben war, ist Rita an einen Rollstuhl gefesselt. Sie erholt sich langsam, aber der Leser weiss nicht, was genau vorgefallen war. Warum haben Sie die Mondragon-Croft Reihe nicht mit der Story begonnen?

Walter Satterthwait: Ich wollte diese Reihe gewissermaßen in der Mitte beginnen, ohne allzuviel von der Geschichte von Joshua und Rita zu enthüllen. Später dann, in »Accustomed to the Dark« habe ich den Hintergrund der Figuren zumindest teilweise erzählt und erklärt, wie die beiden ursprünglich zueinander kamen, und wie Rita verletzt wurde.

kaliber .38: Ihre Croft- und Mondragon-Bücher spielen in Santa Fe, New Mexico. In Deutschland wissen wir nicht sonderlich viel über Santa Fe. Was ist das Besondere an dieser Stadt? Könnten Sie sich vorstellen, dass Ihre Geschichten an irgendwelchen anderen Orten der USA spielen?

Walter Satterthwait: Santa Fe bietet einen wunderbaren Hintergrund für Kriminalromane. Die Stadt ist physisch schön und liegt inmitten einer physisch schönen Umgebung. Und die Bevölkerungsstruktur ist faszinierend - hier leben viele Latinos, Indianer und natürlich diejenigen, die wir hier die "Anglos" nennen - ein Begriff, der im Grunde all diejenigen bezeichnet, die nicht Latino oder Indianer sind. Die Stadt hat eine interessante Geschichte, sie ist relativ reich und hat im künstlerischen Bereich sehr viel zu bieten - Santa Fe ist der drittgrößte Kunstmarkt in den USA.
Ich denke, ähnliche Romane wie meine könnten auch an anderen Orten spielen, glaube aber, dass das Schreiben solcher Geschichten ziemlich schwierig wäre. Denn Santa Fe ist einzigartig, und bis zu einem gewissen Grad trägt diese Einzigartigkeit zu all den Romanen bei, die ich hier angesiedelt habe. Auf jeden Fall empfinde ich das so.

Maskeraden kaliber .38: Sie schreiben noch eine weitere Serie über ein Paar, Jane Turner und Phil Beaumont (»Eskapaden«, »Maskeraden«). Sie hatten diese wunderbare Idee, die Geschichte aus zwei Perspektiven zu erzählen: Der eigentliche Erzähler ist der Pinkerton-Detektiv Phil Beaumont, zusätzlich beschreibt Jane Turner in ihren reizenden, scharfsinnigen Briefen an ihre Freundin Evangeline was passiert. Was wollten Sie damit erreichen?

Walter Satterthwait: Ich wollte mindestens zwei unterschiedlichen Sichtweisen auf die gleiche Ereigniskette haben. Ich wollte einen männlichen und einen weiblichen Standpunkt gegenüberstellen und eine amerikanische, hard-boiled klingende Stimme mit einer britischen, cozy klingenden Stimme kontrastieren. Ich mochte immer beides: den klassischen amerikanischen Privatdetektiv-Roman und den ebenso klassischen britischen Kriminalroman, und indem ich beide Charaktere benutzte, konnte ich folglich beide Romanformen schreiben und mit ihren jeweiligen Regeln spielen - in ein und demselben Buch.

kaliber .38: Sie schreiben häufig über reale Personen in fiktionalen Zusammenhängen, z.B. Oscar Wilde in »Oscar Wilde im Wilden Westen«, Lizzie Borden in »Miss Lizzie«, Arthur Conan Doyle und Harry Houdini in »Eskapaden«, Gertrude Stein, Ernest Hemingway und viele andere in »Maskeraden«. Was fasziniert Sie an dieser Konstellation? Und wie gelangen Sie an die Informationen, damit die Charaktere so lebendig und real wirken?

Walter Satterthwait: In den meisten Fällen waren die "wirklichen" Personen Personen, die mich aus dem einen oder anderen Grunde interessierten. In den meisten Fällen gelang es mir, diese Personen mit Menschen eines anderen Schlages zu konfrontieren. Ich schreibe gerne über Kulturschocks und kulturelles Durcheinander - so wie in meinen Geschichten in »Das Gold des Mayani« -, und es macht mir einen Heidenspaß, Figuren - reale oder andere - einer Situationen auszusetzen, denen sie nicht vertraut sind. Ich glaube, ich bin da so ein kleiner Sadist. Ich habe selbst in unterschiedlichen Kulturen gelebt, und mich haben die kulturellen Unterschiede und die Missverständnisse, die diese erzeugen, schon immer fasziniert. (Ich muss allerdings gestehen, dass ich sie im Rückblick spannender fand, als zu der Zeit, als ich mittendrin lebte.)
Die notwendigen Informationen bekam ich, indem ich soviel Bücher wie möglich über jeden dieser Charaktere las.

Eskapaden kaliber .38: »Eskapaden« spielt 1921 in England, »Maskeraden« 1923 in Frankreich. Soweit wir wissen, soll der dritte Roman mit Phil Beaumont und Jane Turner in München spielen. Was finden Sie so reizvoll an Europa, besonders an dem Europa der Zwanziger Jahre?

Walter Satterthwait: Es war eine interessante Zeit, nicht wahr? Der erste Weltkrieg war gerade zu Ende, und die alten etablierten Traditionen bekamen ihre ersten Risse. Viele Menschen waren durch den Krieg zutiefst desillusioniert, und dennoch entstanden in der Enttäuschung und der Verzweiflung einige der beeindruckendsten Werke der zeitgenössischen Literatur - Joyce, Hemingway, Gertrude Stein usw.

kaliber .38: In Deutschland und in Frankreich sind mehr Ihrer Bücher lieferbar als in den USA. Sind in Amerika Kriminalromane mit einem ausländischen Schauplatz schwer zu verkaufen oder was ist der Grund?

Walter Satterthwait: Lange Zeit wollten Verleger in den USA keine Kriminalromane kaufen, die im Ausland spielten. Sie meinten wohl, fremde Länder seien zu fremd für den amerikanischen Leser. Aber ich denke, mit der zunehmenden "Demokratisierung" des Flugverkehrs und der wachsenden Zahl von Amerikanern, die ins Ausland reisen, verändert sich das.

kaliber .38: Sie sind mit einem Wohnmobil quer durch die Vereinigten Staaten getourt - die "Terrible Trash Trailor Tour" - um für ihr letztes Buch »Maskeraden« zu werben. Ist Ihnen der persönliche Kontakt zu den Lesern wichtig?

Walter Satterthwait: Die "Terrible Trash Trailor Tour" war hauptsächlich ein Witz. Ich dachte, es wäre nett mit einem Wohnmobil durch das Land zu reisen, Bücher zu signieren und Leute zu treffen. Und, in der Tat, es hat Spaß gemacht.
Ich weiss nicht, ob der persönliche Kontakt mit all meinen Lesern nötig oder gar nützlich ist. Allerdings, wie ich eben sagte, es kann Spaß machen.

kaliber .38: Sie haben eine schöne und lustige "webbed paged", eine ge-web-te Seite, die man unter www.satterthwait.com besuchen kann. Würden Sie sagen, dass das Internet die Art und Weise beeinflusst, wie Bücher geschrieben und verkauft werden?

Miss Lizzie Walter Satterthwait: Das Internet hat nicht unbedingt einen Einfluss darauf, wie Romane geschrieben werden, aber es hat gewiss einen Einfluss darauf, wie für Romane recherchiert wird. Bestimmt hat mir das Internet viel Zeit erspart. Und ich bin sicher, dass es einen Einfluss auf den Verkauf der Bücher hat. Einer meiner früheren Romane, »Miss Lizzie«, der in den Staaten einige Zeit nicht lieferbar war, kann man bald wieder als "Book on Demand" bekommen. Wenn jemand ein Exemplar will, muß er oder sie es nur bestellen, und das Ding wird sofort gedruckt und verschickt.

kaliber .38: Ihr letztes Buch wurde vor zwei Jahren veröffentlicht, ein neuer Roman ist noch nicht angekündigt. Wann dürfen wir mit einem neuen Walter-Satterthwait-Roman rechnen?

Walter Satterthwait: Nächstes Jahr. Es ist ein Serienkiller-Roman, der »Perfection« heisst, und in Deutschland bei Goldmann erscheinen wird. Danach werde ich eine Fortsetzung zu Maskeraden schreiben. Das Buch wird in München spielen, kurz vor dem Hitler-Ludendorf-Putsch im November 1923.

kaliber .38: Walter Satterthwait, herzlichen Dank für die Antworten auf unsere Fragen. Wir wünschen Ihnen alles Gute für ihre tollen Romane und ihre neue Story-Anthologie.

Walter Satterthwait: Vielen Dank.

 

Walter Satterthwait: Die Bibliographie

 

Herzlichen Dank an Gunnar Kwisinski und Robin Benson!

 

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