legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Werkstattgespräch mit Lisa Kuppler

 

Ein Buch ist ein Buch: Ein Stapel zusammengeleimter oder gebundener Seiten zwischen zwei Deckeln. Soweit konsumierbar, soweit lesefertig. Der geistige Rohstoff des Buches ist das Manuskript, eine geronnene literarische Idee, ein Entwurf. Im günstigsten Fall ist ein Manuskript lesbar, in keinem Fall ist es druckbar.
Lisa Kuppler arbeitet als Co-Herausgeberin einer Krimireihe, als Lektorin, Ghostwriterin und Übersetzerin - etwa der letzten Romane Mickey Spillanes. Wir haben uns mit Lisa Kuppler in ihrem Berliner Büro zu Sahnetörtchen und zu einem Werkstattgespräch über ihre Arbeit verabredet. Aus den Sahnetörtchen sind letztlich Muffins geworden, aber Lisa Kuppler zeigte sich dennoch auskunftsfreudig: Von der Auswahl der Manuskripte über das Lektorieren bis zum Ghostwriting: Wir laden Sie ein, Kriminalliteratur einmal aus einer praktischen Perspektive zu betrachen. Und für ambitionierte, aber bisher unveröffentlichte Nachwuchsautoren gibt's obendrein ein paar unabdingbare Ratschläge. Gratis!

 

Lisa Kuppler kaliber.38: Lisa Kuppler, Sie sind Mitherausgeberin einer Krimireihe, Sie übersetzen Krimis, Sie lektorieren Krimis und Sie sind Ghostwriterin. Erzählen Sie uns kurz, was Sie vorher gemacht haben und wie Sie in die Verlagsbranche eingestiegen sind.

Lisa Kuppler: Ich habe studiert, US-amerikanische Geschichte, Literatur und Kultur, habe einen Magister von der University of Oregon in American History. Ich habe vier Jahre in Oregon gelebt, studiert, unterrichtet (Women's Studies und American Studies-Kurse). Zurück in Deutschland habe ich mir eine Weile den Lebensunterhalt als Tippse in einer Rechtsanwaltskanzlei verdient, dann Stipendien für eine Promotion in Amerikanistik erhalten, zu einem sehr historischen Thema über den Begriff der Zivilisation in den USA. Ich war mehrmals zu Forschungszwecken in USA , u.a. in Chicago, Washington und New York. In einem Doktoranten-Kolloquium habe ich Gabriele Dietze kennengelernt, die eine Krimireihe herausgibt und ein Buch zum "Geschlechterverhältnis im amerikanischen Hard-Boiled" geschrieben hat. Sie war auf der Suche nach jemandem, der mit ihr die Krimireihe betreuen würde, und ich war im richtigen Moment an der richtigen Stelle, sozusagen ...

k.38: Hatten Sie schon immer eine besondere Vorliebe für Kriminalliteratur?

L.K.: Ganz ehrlich? Nein. Jedenfalls nicht mehr als für andere Populärliteratur. Das ist allerdings ein besonderes Faible von mir. Immer schon gewesen. Ich lese kaum Werke der sogenannten E- oder Hochliteratur (obwohl ich dann doch immer wieder einzelne tolle Bücher im E-Bereich entdecke). Als Jugendliche habe ich alles verschlungen, was Karl May geschrieben hat. Mein erstes "richtiges" Buch, das ich überhaupt gelesen habe, war WINNETOU I. Als Erwachsene galt (und gilt immer noch) meine Leidenschaft dem Science-Fiction- und Fantasy-Genre. Dabei stehe ich besonders auf die Sachen, in denen es um das Geschlechterverhältnis und Gendervorstellungen geht. Ich bin absoluter Fan von Samuel R. Delaney, der leider in Deutschland kaum bekannt ist. Ich liebe die Bücher von Jo Clayton, von Storm Constantine, von Melissa Scott. Ja, und dann sind da inzwischen die Krimis dazugekommen...

k.38: Zur Praxis - Worin genau besteht Ihr Job als Mitarbeiterin an einer Krimireihe?

L.K.: Wenn ich Leuten von meiner Arbeit erzähle, merke ich immer wieder, dass man sich landläufig nicht recht vorstellen kann, was die Herausgabe einer Krimireihe alles an Arbeit bedeutet. Für mich schließt das die gesamte Betreuung eines Krimis ein, vom ersten Sondieren der unverlangt eingehenden Manuskripte bis zum Endlektorat eines fertigen Buches. Dazwischen liegen tausend kleine Schritte: die Auswahl geeigneter Manuskripte, die Kontaktaufnahme mit den AutorInnen, das Lektorieren des Manuskripts, das Verfassen von Ankündigungstexten in den Verlagsprogrammen, von Klappentexten hinten auf dem Buch, die Auswahl von geeigneten Pressezitaten, die Vorstellung des Krimis auf den VertreterInnen-Sitzungen und den Buchmessen, und, und, und ...

k.38: Am Anfang steht der Text, wenn man so will. Wie kommen Sie zu Manuskripten? Werden Sie mit einer Flut von Manuskripten zugeschüttet, aus denen es dann die guten Texte auszuwählen gilt?

L.K.: Oft kennen die AutorInnen den Verlag und schicken uns ihre Manuskripte in jedweder Form - als Exposé, als Telefonanfrage, als e-mail-Anfrage. Mittlerweile kommt sehr viel übers Internet, aber natürlich werden mir ins Krimibüro auch viele fette, ausgedruckte Manuskripte geschickt.

k.38: Ist Ihnen ein Anschreiben wichtig, ein kurzer Begleittext zum Manuskript?

L.K.: Ja, schon. Wir gucken natürlich zuerst, ob jemand schon einen Krimi veröffentlicht hat oder sonstige literarische Erfahrungen aufweisen kann. Wir achten auch immer ein bisschen auf den Lebenslauf: Wir suchen nach ungewöhnlichen Krimis, und wenn jemand einen ganz glatten Lebenslauf hat - Schule, Studium, Abi, Heirat, Kinder usw. -, dann interessiert das nicht so sehr.

k.38: Also sind Brüche in der Biographie durchaus willkommen?

L.K.: Ja, uns gefällt das. Ich habe am liebsten kurze Anschreiben, in denen mir nicht eine Leidensgeschichte präsentiert wird. Es interessiert mich nicht, wie oft jemand mit seinen Manuskripten schon abgelehnt wurde. Das törnt ab. Ein kurzes, witziges Anschreiben, und wenn ich da lese, der Autor hat zum Beispiel in den letzten Jahren in der Fabrik gearbeitet und Zahnbürsten produziert, dann animiert mich das viel mehr, mir das Manuskript etwas genauer anzuschauen.

k.38: Spielt dann dabei eine Vermarktungsidee schon eine Rolle, oder denken Sie eher, dass Leute, die etwas mitgemacht haben, auch die interessanteren Bücher schreiben?

L.K.: Eine Autorin oder ein Autor muss sich natürlich klar darüber sein, dass sie oder er immer auch vermarktet wird. Und wenn jemand ein bestimmtes Auftreten und Aussehen hat, kann der Verlag sie oder ihn am Markt natürlich ganz anders platzieren. Aber das entscheidet nicht darüber, ob wir ein Manuskript annehmen oder ablehnen. Entscheidend für mich sind immer die ersten zwei, drei Seiten. Da erkennt man meistens sofort, ob jemand schreiben kann oder nicht, und darum geht's. Ich schaue mir jedes Manuskript an, das reinkommt, auch wenn mir das Anschreiben vielleicht nicht gefallen hat. Ob das Manuskript gut geschrieben ist - das ist ausschlaggebend dafür, ob eine Autorin oder ein Autor überhaupt in die engere Auswahl kommt, ob wir uns überlegen, ein Manuskript zum Lektorat anzunehmen. Es macht mir am meisten Spaß, neue AutorInnen zu entdecken, und das Sichten der unverlangt eingegangenen Manuskript ist immer richtig aufregend. Und nein, ich glaube nicht, dass jemand mit einem ungewöhnlichen Lebensweg unbedingt der bessere Autor ist, ganz und gar nicht. Aber gute AutorInnen wollen ihren LeserInnen ja etwas erzählen, das die in ihrem Alltag gerade so nicht erleben können. Oder die AutorInnen beschreiben das Alltägliche aus einer ganz neuen Sicht. Und besonders zum Krimischreiben gehört ein ausgeprägter Hang zum Skurrilen, Absonderlichen, zumindest ein tiefergehendes Interesse an der grundsätzlichen Frage aller Krimis, warum werden Menschen gewalttätig?

k.38: Ist es Ihnen denn lieber, zunächst ein Exposé zu bekommen, oder haben Sie lieber gleich den kompletten Text?

L.K.: Am liebsten eine Leseprobe. Ein Exposé nützt uns nichts. Das mag bei anderen Verlagen anders sein, aber ich will etwas in den Händen haben, woran ich erkennen kann, ob jemand das Schreiben beherrscht oder nicht. Wir suchen nach professionell geschriebenen, handwerklich gut gemachten Krimis. Dabei interessiert das Thema des Manuskriptes zunächst weniger; ob es da um politisch oder sonst wie aktuelle Themen wie z.B. Gentechnik geht, ist erst einmal zweitrangig. Die Thematik ist natürlich später für die Vermarktung sehr wichtig, aber wir entscheiden nicht nach dem Thema, ob ein Buch veröffentlicht wird. Ich will Auszüge, an denen ich erkennen kann: Kann die Autorin überzeugende Charaktere entwerfen, beherrscht der Autor das Schreiben von Action-Szenen, verfügt da jemand über ein originelles und spannendes sprachliches Repertoir, schafft sie oder er es, einen Ort, eine Atmosphäre, glaubhaft zum Leben zu erwecken. Dafür muss ich nicht die Handlung verstehen.

k.38: Gibt es Themen, die für Sie von vornherein nicht in Betracht kommen?

L.K.: Nein, eigentlich nicht. Allerdings bedient natürlich jede Krimireihe eine bestimmte Zielgruppe. Unsere Zielgruppe sind LeserInnen, die man vielleicht mit dem etwas altmodischen Begriff "sozialkritisch" beschreiben kann. Und solche LeserInnen stehen nicht unbedingt auf einen konservativ gestrickten Landhauskrimi. In diesem Sinne haben unsere Krimis auch immer eine sozialkritische Komponente, und wenn diese darin besteht, dass der Held schwul ist. Aber ich würde kein Manuskript ablehnen, weil es sich mit einem bestimmten Thema befasst.

k.38: Was kostet eigentlich ein Manuskript? Mit welcher Summe etwa kann ein unbekannter Autor rechnen, wenn sein Manuskript angenommen wird?

L.K.: Nun, wenn wir ein Manuskript annehmen, dann bekommt der Autor einen Vorschuss und wird prozentual am Verkauf beteiligt. Bekanntere AutorInnen bekommen natürlich einen höheren Vorschuss als AutorInnen, die bisher noch nichts veröffentlicht haben. Die AutorInnen bekommen außerdem Honorare für Lesungen und werden auch an den Taschenbuchdeals und am eventuellen Verkauf der Film- und Fernsehrechte beteiligt. Sagen wir mal so: Eine Autorin muss schon an die zehntausend Exemplare verkaufen, um einigermaßen von ihren Büchern leben zu können.

k.38: Wir werden öfter mit der Vorstellung konfrontiert, man müsse nur einen Krimi schreiben und habe dann ein erkleckliches Auskommen. Das stimmt so also nicht?

L.K.: Nein, nein, ganz und gar nicht. Ich kenne einen amerikanischen Autor, der nicht nur in den USA, sondern auch hier vielen Leuten ein Begriff ist. Seine Fans warten sehnsüchtig auf ein neues Buch. Ich habe wirklich viel versucht, aber ich kann den Autor nicht davon überzeugen, ein neues Buch zu schreiben. Er antwortet mir immer: "Warum soll ich mir die Arbeit machen? Ich verdiene damit doch eh nichts!"

k.38: Wie kann ein Verlag denn nun ein Buch am Markt platzieren?

L.K.: Werbung!

k.38: Macht das wirklich so viel aus?

L.K.: Auf alle Fälle. Der Wiedererkennungseffekt ist ganz wichtig.

k.38: Wie ist das mit Rezensionen? L.].K.: Rezensionen spielen, was die Verkaufszahlen betrifft, fast überhaupt keine Rolle. Natürlich, wenn man eine längere, positive Besprechung in der ZEIT oder in der SÜDDEUTSCHEN hat, dann gehen die Verkaufszahlen kurzfristig etwas in die Höhe. Aber langfristig spielt das keine Rolle. Wenn sich Rezensionen auf die Verkaufszahlen auswirken, dann vielleicht über diesen Wiedererkennungseffekt. An den Rezensionen kann man sehen, ob eine Autorin oder ein Autor vor einem Fachpublikum besteht. Wenn es viele positive Rezensionen zu einem Buch gegeben hat, entscheidet sich der Verlag vielleicht eher dazu, das nächste Buch der Autorin oder des Autors zu machen. Die Leute gehen zu siebzig Prozent in eine Buchhandlung ohne genau zu wissen, welches Buch sie kaufen wollen. Dann sehen sie ein interessantes Cover, lesen den Klappentext, schnuppern ein bisschen in die Seiten rein und fällen dann die Kaufentscheidung. Wenn sie von dem Buch schon mal gehört haben - in der Werbung, in einer Besprechung oder am besten im Fernsehen -, dann greifen sie eher zu dem Buch, als wenn sie es zum ersten Mal sehen.

k.38: Manche Autoren reisen monatelang kreuz und quer durch den deutschsprachigen Raum und machen fast jeden Tag eine Lesung. Sind Lesungen ein relevanter Teil des Einkommens eines Krimiautors, und haben Lesungen - aus Ihrer Sicht - positive Effekte auf die Verkaufszahlen?

L.K.: Sie sind auf jeden Fall ein relevanter Teil des Einkommens. Ob Lesungen den Verkauf fördern, kann ich nicht genau sagen. In jedem Fall helfen sie natürlich, die AutorInnen bekannter zu machen, weil es dann oft auch in den kleinen lokalen Zeitungen kurze Berichte oder Besprechungen gibt. Es ist allerdings für die Verlage nicht immer einfach, Lesungen für ihre AutorInnen zu organisieren: Die Buchhandlungen wollen oft nur die ganz großen Namen. Wir würden gerne alle unsere AutorInnen auf Lesereise schicken, aber die Buchhändler sind bei unbekannteren AutorInnen sehr zögerlich.

k.38: Spielt es eine Rolle, wann man ein Buch auf den Markt bringt - abgesehen natürlich davon, dass man einen Weihnachtskrimi wohl nicht im Hochsommer veröffentlicht?

L.K.: Ja, durchaus. Das Herbstprogramm ist das wichtigere, weil im Weihnachtsgeschäft die meisten Umsätze im Buchhandel gemacht werden. Natürlich versucht man, die Titel, von denen man sich einen Verkaufserfolg erhofft, im Herbst zu bringen. Auch die Buchmesse Ende Oktober in Frankfurt spielt da eine Rolle. Die Messe schärft die Aufmerksamkeit des Publikums.

k.38: Nach welchem Kriterium entscheidet sich ein Verlag, ob ein Buch als Hardcover oder als Taschenbuch auf den Markt kommt?

L.K.: Manche Verlage machen prinzipiell nur Hardcover. Bei anderen richtet sich das bei den Krimis vor allem nach dem erhofften Erfolg eines Buches. Die Kosten für ein gebundenes Buch sind natürlich höher. Da sollte man schon mindestens auf zehntausend verkaufte Exemplaren kommen. Das gelingt mit einem unbekannten Autor selten, es sei denn, man macht eine dicke Werbekampagne. Ein Vorteil ist natürlich, dass man eventuell auch mal eine Besprechung im SPIEGEL bekommt, die rezensieren nur gebundene Bücher.

k.38: Das ist mir noch nie aufgefallen ...

L.K.: ... doch, doch. Viele erstklassige KrimiautorInnen werden vom SPIEGEL gar nicht wahrgenommen, weil sie im Taschenbuch erscheinen. Dahinter steckt natürlich die veraltete Vorstellung, dass das Hardcover das bessere Buch sei. Dabei fällt die Populärliteratur, die ja klassischerweise immer im Taschenbuch erscheint, einfach unter den Tisch. Und meistens engagieren sich die Verlage wirklich mehr für ein Buch, das gebunden erscheint.

k.38: Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, Sie als Herausgeberin und Lektorin nach der Preiskalkulation eines Buches zu fragen. Richtet sich der Verkaufspreis allein nach Umfang und Auflage?

L.K.: Das ist wirklich eher eine Frage für den Vertriebsleiter. Aber als ich als Laiin zum ersten Mal eine Kalkulation gesehen habe, war ich schockiert, wie wenig der Verlag letztlich an einem Buch wirklich verdient. Herstellung, Buchhändlerrabatte, Autorenprovision, Vertreterprovision - es ist unglaublich, was vom Verkaufspreis alles abgeht. Der Verkaufspreis orientiert sich meistens an der Auflage, denke ich. Ich hatte gerade neulich einen Buchhändler am Telefon, der sich über den vermeintlich zu hohen Verkaufspreis eines Krimis beschwerte. Ich habe dem Mann erklärt, dass wir das Buch unbedingt machen wollten, obwohl wir wussten, dass wir damit nur eine begrenzte Anzahl von LeserInnen erreichen können. Da heißt die Alternative: Entweder bringen wir das Buch in kleiner Auflage zu einem hohen Preis, oder eben gar nicht. Wir haben's gebracht, und die Fans waren auch bereit, den Preis zu zahlen. Anders geht's leider nicht.

k.38: Sie verlegen hauptsächlich deutsche Krimis und Krimis aus England und den USA ...

L.K.: ... ein paar Franzosen sind auch dabei!

k.38: Wie funktioniert die Beschaffung fremdsprachlicher Manuskripte?

L.K.: Es gibt in England, in den USA und auch in Frankreich Verlage, die ein ähnliches Krimi-Programm haben wie wir. Da schauen wir uns als erstes um. Gibt es bei denen etwas, was auch hier in Deutschland funktionieren könnte? Wir haben viel in den USA recherchiert, und es sind persönliche Kontakte zu AutorInnen entstanden, die dann auch bei uns erschienen sind. Und wir halten uns natürlich auf dem Laufenden, wer gerade mit welchem Krimipreis ausgezeichnet oder für einen Preis nominiert wurde. Allerdings wird es auf dem fremdsprachlichen Krimimarkt immer enger, denn die großen Verlage sichern sich schnell die Rechte für die Bestseller. Wir hätten gerne Minette Walters gemacht, die wunderbar in unser Programm gepasst hätte, aber als kleiner Verlag muss man nach den Perlen suchen, die die Großen nicht für Bestsellermaterial halten oder schlicht übersehen. Und darauf achten, was überhaupt finanzierbar ist.

k.38: In letzter Zeit hat es einen ziemlichen Run auf skandinavische Autoren gegeben. Schaut man sich nicht automatisch in diesem Bereich um, wenn man sieht, wie verkaufskräftig das ist?

L.K.: Nein, eigentlich nicht. Das Problem ist, dass wir keine skandinavische Sprache beherrschen und uns auf GutachterInnen verlassen müssen. Wenn jetzt hier zufällig ein ausgewiesener Krimikenner reinkäme mit perfekten Schwedischkenntnissen und uns dringend einen schwedischen Autor ans Herz legt, dann würden wir das aber liebend gerne machen.

k.38: Lisa Kuppler, Sie arbeiten auch als Lektorin. Lektorieren wird ja ein bisschen mehr sein als Ausschau nach Rechtsschreib- und Zeichensetzungsfehlern zu halten. Andererseits werden Sie wohl keinen konkreten Arbeitsplan in der Hand haben, den Sie Punkt für Punkt am Text abarbeiten. Wie lektoriert man einen Text?

L.K.: Die erste Phase eines Lektorats besteht darin, das Manuskript ganz genau zu lesen. Dabei muss ich herausfinden, was in einem Manuskript funktioniert und was nicht. Wie genau das vor sich geht, kann ich nicht genau sagen, das hat auch etwas Intuitives. Etwa: Ich mag die Figur des Helden nicht. Aber offensichtlich will die Autorin, dass ich ihren Helden gut finde. Die Aufgabe der Lektorin ist, herauszufinden, woran es liegt, das man als LeserIn den Helden unsympathisch findet. Der zweite Schritt besteht darin, einen Vorschlag zu entwickeln, wie die Autorin ihren Helden glaubwürdiger charakterisieren kann. Es gibt auch einfache Plotfehler: Auf der ersten Seite trägt eine Figur einen roten Pulli, ein paar Seiten später ist der Pulli blau. Andere Probleme sind schwieriger zu lösen: Manche SchriftstellerInnen, auch sehr gute, habe eine bestimmte Vorstellung, wie eine Szene funktioniert, wie Spannung aufgebaut wird. Dann wiederholen sie dieses Muster immer wieder. Das wird langweilig. Auf so etwas müssen sie ihre LektorInnen aufmerksam machen. Es gibt verunglückte Manuskripte, wo der Plot einfach nicht stimmt - da kann die Atmosphäre stimmen, da kann alles wunderbar sein, aber der Plot funktioniert nicht, weil die Handlungsstränge nicht richtig aufgelöst werden und die LeserInnen den Schluss nicht akzeptieren. Andererseits gibt es viele Krimis, die sich an der Grenze zur sogenannten Ernsten Literatur bewegen. Da kann es in der Intention der Autorin liegen, dass der Plot keine eindeutige krimitechnische Struktur hat. Das muss ich als Lektorin dann abwägen: Funktioniert der Text noch, folgen die LeserInnen der Autorin noch, auch wenn sie sich vom Genre wegbewegt? Zum Lektorat gehört auch, dass ich darauf achte, wie die Szenen geschnitten werden. Eine neue Szene kann ja nicht einfach im Nichts anfangen, wie es viele unerfahrene AutorInnen machen. Das ist wie im Film: Die Atmosphäre der Schlusseinstellung einer Szene setzt den Ton für den Einstieg in die nächste. Sehr viele Manuskripte - zumindest was Spannungsliteratur betrifft - haben meiner Meinung nach ein Potential, das die Autorin oder der Autor nur selten vollständig ausreizt. Der Job als Lektorin ist es, dieses Potential zu erkennen und den AutorInnen aufzuzeigen, wie sie es ausfüllen können. Die Lektorin muss natürlich auch aufpassen, dass sie nicht an dem Buch vorbeilektoriert, und hinterher etwas entsteht, was die Autorin oder der Autor eigentlich nie wollten. Was eine Lektorin übrigens in der Regel nicht macht, obwohl sich das viele unter dem Berufsbild des Lektors vorstellen, ist die Rechtsschreibkontrolle. Natürlich: Wenn ich einen Fehler sehe, nehme ich auch den Stift zur Hand. Aber für die Rechtsschreibkontrolle und Grammatikfehler ist der Korrektor zuständig.

k.38: Reagieren Ihrer Erfahrung nach Autoren eher empfindlich auf Ihre Änderungsvorschläge?

LK.: Natürlich sind AutorInnen empfindlich. Es geht ja schließlich oft um ihre Texte, die mit Herzblut und viel Engagement geschrieben wurden. Aber die, mit denen ich zu tun habe, sind Profis und wissen, was ihnen ein gutes Lektorat bringt. Generell sind die meisten AutorInnen sehr aufgeschlossen für Lektoratsvorschläge und freuen sich darüber, dass das fertige Buch wirklich besser geworden ist als das Manuskript, das sie eingereicht haben.

k.38: Wie würden Sie den "geistigen Anteil" an einem Buch zwischen Autor, Lektor und gegebenenfalls Übersetzer aufteilen?

L.K.: Tja, schwer zu sagen. Die AutorInnen bringen natürlich den Hauptanteil. Das Buch ist ihre kreative Vision, es lebt von dem Ausdrucksvermögen, "der Schreibe" einer Autorin. Die Lektorin bringt das professionelle Feedback, was auch neue Ideen, sogar ganze Plotveränderungen beinhalten kann. In Prozent lässt es sich gar nicht ausdrücken, und natürlich ist es auch von Buch zu Buch unterschiedlich. Noch schwieriger ist's beim Übersetzen: Bei den besten ÜbersetzerInnen bemerkt man ja beim Lesen die Arbeit gar nicht, die in das Buch geflossen ist. Schwierige Frage.

k.38: Lektor ist ja nun kein Ausbildungsberuf. Die meisten Leute, die diesen Job ausüben, kommen meines Wissens aus der Verlagsbranche und sind gelernte Verlagskaufleute. Manche sind Quereinsteiger und kommen aus anderen Bereichen. Was ist Ihrer Ansicht nach die entscheidende Qualifikation, die ein Lektor mitbringen muss?

L.K.: Ganz fundamental muss eine Lektorin ihre Muttersprache perfekt beherrschen. Und damit meine ich natürlich nicht, dass LektorInnen richtiges Deutsch können müssen. Sie müssen die feinen Nuancen der Sprache begreifen, sprachliche und kulturelle Zusammenhänge sehen, den Kontext von bestimmten Ausdrücken kennen, sich mit Dialekten und subkulturellen Slangs auskennen. Und natürlich sollten sie sich für eine ganz genaue Textarbeit begeistern können. Speziell für KrimilektorInnen ist wichtig, dass sie sich gut in der Populärkultur auskennen. Manchmal lese ich einen gerade erschienenen Krimi und denke: Mensch, das ist doch ein alter Hut. Und dann rede ich mit der Lektorin, und sie sagt, für sie war das alles ganz neu. Eine gute Krimilektorin muss erstens wissen, wie funktionieren Genrekonventionen, Stereotypen, Populärkultur eben. Und zweitens muss sie sich natürlich in ihrem Feld auskennen, wissen, was überhaupt in den letzten hundert Jahren in diesem Genre geschrieben wurde.

k.38: Frau Kuppler, Sie arbeiten auch als Ghostwriterin. Besonders von Memoiren wissen wir, dass sie vielfach in Interviews entstehen, die dann von Ghostwritern in eine lesbare Form gebracht werden. Wie sieht das bei Ihnen aus? Bekommen Sie Tonbänder in die Hand gedrückt, lose Notizblattsammlungen?

L.K.: Nein, nein. Ich habe es mit kompletten Manuskripten zu tun. Allerdings sind das Texte von Hobbyschreibern, die kein Verlag so veröffentlichen könnte. Ich habe einen prominenten Autor, der nicht fähig ist oder auch nicht bereit ist, die notwendigen Umarbeitungen zu machen. Also setzt der Verlag mich an das Manuskript, und ich mache einen lesbaren, gut geplotteten, spannenden Krimi daraus.

k.38: Sind die Leute, für die Sie ghostwriten, so uneitel, dass ihnen das gar nichts ausmacht?

L.K.: Mit den Autoren, mit denen ich es bisher zu tun hatte, war es eine fruchtbare Zusammenarbeit. Manche sind ganz uneitel und sagen zu meinen Vorschlägen: Das hört sich gut an, machen Sie das. Manche beharren dagegen auf ihren eigenen Vorstellung. Und die letzte Kontrolle liegt beim Autor des ursprünglichen Manuskriptes, der ja mit dem Endprodukt nachher auch öffentlich durch die Talkshows geht. Dann telefoniert man viel miteinander, redet, diskutiert. Da prallen dann schon auch mal unterschiedliche Ansichten aufeinander.

k.38: Gibt es Ihres Wissens nach im Krimibereich viele Autoren, die mit Ghostwritern zusammenarbeiten?

L.K.: Nein, ich glaube nicht. Ich habe bis jetzt nur eine andere Ghostwriterin getroffen, aber sie wollte mir auch nicht verraten, für wen sie schreibt.

k.38: Also, wir können uns in der Regel darauf verlassen, dass der Mensch, den das Cover als Autor ausweist, auch wirklich erheblichen geistigen Anteil an dem Produkt besitzt?

L.K.: Ich denke schon.

k.38: Frau Kuppler, Sie haben dieses Jahr mit Wels-Productions Ihr eigenes Krimibüro gegründet. Was verbirgt sich dahinter?

L.K.: Wenn es klappt, soll Wels Productions ein Büro für Spannungsliteratur sein, in dem Übersetzungen und Lektorate gemacht werden, auch für Verlage Krimireihen im Außenlektorat herausgegeben werden. Ich arbeite bereits als Lektorin mit ein paar AutorInnen zusammen, und sitze zurzeit an der Herausgabe einer Krimianthologie, die nächstes Frühjahr erscheinen wird.

k.38: Haben Sie vielleicht noch einen Rat, den Sie von der Lektoratsseite hoffnungsvollen und aufstrebenden AutorInnen unbedingt mit auf den Weg geben können?

L.K.: AutorInnen, die ganz am Anfang stehen, würde ich zu einer Schreibschule raten. Die handwerkliche Seite des Schreibens - vor allem bei Spannungsliteratur - kann man lernen. Und dann ist das viel beschworene Networking wirklich sehr wichtig, sich mit anderen Autorinnen und Autoren zusamnmen tun, sich bei Verbänden wie dem SYNDIKAT umschauen, Kontakte zu Verlags-Profis knüpfen, von denen man eine ehrliche Meinung über das eigene Werk zu hören bekommt.

k.38: Lisa Kuppler, wir wünschen Ihnen viel Erfolg für Ihre anstehenden Projekte und bedanken uns herzlich für das Gespräch ...

L.K.: Ich bedanke mich für die Einladung zum Werkstattgespräch. Und die Muffins waren wirklich ausgesprochen lecker!

k.38: Und ich kann mich nicht daran erinnern, außerhalb meiner eigenen vier Wände jemals so einen guten Kaffee getrunken zu haben!

 

© j.c.schmidt, 2001

 

Lisa Kupplers Homepage finden Sie unter http://www.wels-productions.de

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen