legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Rendezvous im Randolph

Bianca Reineke trifft Robert Goddard in Oxford

 

Past Caring

Bianca Reineke: Mr. Goddard, ich möchte gern mit einigen technischen Fragen beginnen: Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?

Robert Goddard: Nun, das ist eine gute Frage! Ich habe immer versucht, keinen Arbeitsalltag aufkommen zu lassen, denn eine der Vorzüge meines Berufes ist es, dass man keine tägliche Routine einhalten muss. Ein typischer Arbeitstag sieht so aus: Ich schreibe etwas am morgen, gehe einkaufen, dann schreibe ich wieder, gehe spazieren, trinke Tee und setze mich wieder an meinen Text. Und irgendwann gibt es natürlich Abendessen (lacht).

BR: Großartig! Benutzen Sie dabei zum Schreiben ein Laptop, eine Schreibmaschine oder schreiben Sie Ihre Bücher mit der Hand?

RG: Nein, kein Laptop, ich schreibe alles selber mit einem Stift. Natürlich kann es gut sein, dass ich einigen Jahren auf den Computer umsteige. Aber ein klarer Vorteil mit der Hand zu schreiben, liegt darin, dass man viel einfacher überblicken kann, was man gerade geschrieben hat. Meine Frau tippt das ganze dann ein und übt dann im Bedarfsfall Kritik, das ist eine Zusammenarbeit, die bis lang ganz gut zu funktionieren scheint.

BR: Wie lange benötigen Sie, um einen Ihrer Romane zu vollenden?

RG: Ich würde sagen jeweils etwa ein Jahr, vielleicht etwas länger.

BR: Und wann haben Sie mit dem Schreiben angefangen? Schon als Teenager oder auf der Universität?

RG: Nun, ich habe in meiner Jugend einiges geschrieben. Aber ich habe für 10 Jahre in der Verwaltung gearbeitet (dem "Education Department" des Devon County Councils), in den letzten drei Jahren dieser Tätigkeit habe ich dann mein erstes Buch geschrieben ("Dein Schatten, dem ich folgte")

BR: Aber Sie haben eigentlich Geschichte in Cambridge studiert, nicht wahr?

RG: Ja, richtig.

BR: Und Sie haben dann anschließend in ganz anderen Bereichen gearbeitet?

RG: Ja, aber ich benutze mein Studium der Geschichte natürlich gerne als Stoff in vielen meiner Bücher.

BR: Nun einige Fragen zu Ihren sehr erfolgreichen Büchern: Mögen Sie es eigentlich, dass Sie zu den Kriminalautoren gezählt werden?

Dein Schatten, dem ich folgte

RG: Wenn man in einen Buchladen geht, findet man die Hälfte meiner Werke tatsächlich unter der Kategorie Kriminalromane, die andere unter den normalen Romanen. Dabei sind es eigentlich nicht wirklich Kriminalromane, um ehrlich zu sein, eher psychologische Romane oder sogar Mystery-Bücher. Denn nicht jedes Mal spielt ein Polizist die Hauptfigur.

BR: Was ich wirklich mag, sind die beiden Bücher über Harry Barnett, "Mitten im Blau" und "Die Zauberlehrlinge" Er ist die einzige Person, der Sie bislang zwei Bücher gewidmet haben? Gibt es einen Grund dafür?

RG: Es wird sogar ein drittes geben! ("Die Schatten von Abderdeen", Anm. der Verf.)

BR: Das wäre meine nächste Frage gewesen - Sie mögen Harry also als Person?

RG: Ja, durchaus.

BR: Zu dem stets komplexen Plot Ihrer Bücher: Haben Sie den jeweils bereits vor dem Schreiben im Kopf?

RG: Der Plot ist meistens fest gesetzt, auch wenn es manchmal im Schreibprozess anders läuft als geplant. Ich verwende etwa drei Monate darauf, die Handlung detailliert zu planen und Nachforschungen anzustellen.

BR: Wo bekommen Sie nur all Ihre Ideen her? All die Familientragödien, all die "Leichen im Schrank"?

RG: Ich weiß es selber nicht. Ich benutze einfach meine Einfälle, und versuche dabei, die Wirklichkeit nicht zu verändern. Ich möchte eigentlich über diese Frage nicht allzu viel nachdenken, die Ideen kommen mir einfach. Ich scheine kein Problem damit zu haben, in schöner Regelmäßigkeit neue Einfälle zu produzieren - nicht wie andere Schriftsteller, denen nach zwei oder drei Büchern einfach nichts mehr einfällt.

BR: Vielleicht sollten Sie damit beginnen, Ihre Ideen bei ebay versteigern?

RG: (Lacht) Das ist eine gute Idee! Im Ernst, ich habe mir anfangs Sorgen gemacht, dass mir eines Tages die Ideen ausgehen könnten, aber bislang läuft es alles ohne Probleme.

BR: Die meisten Ihrer Helden machen im Laufe der Handlung einen entscheidenden Fehler und sind insgesamt alles andere als perfekt. Warum wählen Sie gerade solche Hauptpersonen?

Into the Blue

RG: Sie sind für mich einfach interessanter! Und außerdem weiß ich einfach mehr über ganz normale Personen, und die machen nun einmal Fehler und sind nicht perfekt: Sie haben einen Job, ich mag es sogar, wenn sie darin nicht allzu erfolgreich sind, und sie haben eine persönliche Geschichte. Was dann in meinen Büchern mit ihnen passiert, ist einfach sehr realistisch: Sie sind beispielsweise zum entscheidenden Zeitpunkt nicht am Ort des Geschehens, weil sie schlichtweg arbeiten müssen oder mit etwas anderem beschäftigt sind.

BR: Und die Nachforschungen für Ihre Bücher machen Sie alle persönlich und vor Ort?

RG: Ja, das ist mir sehr wichtig. Manchmal fahre ich auch erst im Laufe der Produktion eines Buches an bestimmte Handlungsorte - das hängt häufig auch vom Wetter ab.

BR: Warum spielen viele Ihrer Romane in historischer Zeit?

RG: Das gibt mir die Gelegenheit, unerklärte Wendungen zu beschreiben. Die Geschichte ist übrigens eine sehr wichtige Quelle meiner Ideen, es gibt in der Vergangenheit soviel Unerklärliches, das wir nicht einfach verstehen, für das ich mir dann eine entsprechende Erklärung ausdenken kann. Wobei nur "Die Mission des Zeichners" vollständig in der Vergangenheit spielt, sonst geht es mir häufig um die Auswirkungen der Geschichte auf die Gegenwart.

BR: Eines Ihrer Bücher, "Das Haus der dunklen Träume", behandelt parapsychologische Phänomene.

RG: Es ist einfach eine komplette Gespenstergeschichte.

BR: Haben Sie wegen dieser besonderen Themenwahl eine Reaktion von Seiten Ihrer Leser bekommen?

RG: Ich wollte diesen Bereich selber ergründen! Da man in traditionellen Gespenstergeschichten meistens von der Vergangenheit gejagt wird, hat mich hat die Idee gereizt, von der Zukunft gejagt zu werden.

BR: Worum geht es in Ihrem neuen Buch?

Mitten im Blau

RG: Ein verschwundenes Kind und ein Stück früher Geschichte, das mich besonders interessiert. (Gemeint ist "Friede den Toten", Anm. der Verf.).

BR: In allen Ihren Büchern schwingen auch theologische Grundwerte wie Schuld, Sühne, Vergebung mit, aber nirgendwo kommt eine eindeutig christliche Haltung zum Ausdruck.

RG: Das ist wahr.

BR: Glauben Sie selbst an Gott?

RG: Ich bin, ehrlich gesagt, ein ziemlicher Agnostiker. Ich denke aber, die Tatsache, dass die aktive Religionsausübung allgemein nachgelassen hat, bedeutet nicht, dass die Grundwerte keine Gültigkeit mehr haben.

BR: Viele Ihrer Personen scheinen keine Skrupel oder Gewissensbisse zu haben, obwohl Sie zu Ihrem Vorteil wortwörtlich über Leichen gehen und andere Menschen leiden lassen. Aber es gibt auch jedes Mal eine Art höherer Gewalt, nicht wahr?

RG: Ja und nein, der Aspekt der mich bei den begangenen Verfehlungen am meisten interessiert ist, wie das Gesetz damit umgeht. In "Dunkle Spiegel" glaubt man schnell den Verantwortlichen für einen Mord gefunden zu haben und hängt ihn als gerechte Strafe sogar auf, was sich später als tragischer Justizirrtum herausstellen wird. Interessant ist auch, dass Personen, die ziemlich rücksichtlos sind, aber an anderer Stelle wiederum sehr großzügig sein können ­ ich mag diese Art von Mehrschichtigkeit des menschlichen Charakters.
      Alles was ich versuche, muss für den Leser nachvollziehbar sein, er muss verstehen, was in einer solchen Situation tatsächlich passieren könnte.

BR: In einigen Büchern ändern Menschen radikal ihre Identität, ist das realistisch?

Die Zauberlehrlinge

RG: In "Leben heißt jagen" habe ich mich an ein Beispiel aus dem 19. Jahrhundert gehalten. Heutzutage mag es angesichts von Techniken wie DNA-Analysen schwieriger sein, wenn auch nicht völlig unmöglich, aber im 19. Jahrhundert. war es sicherlich sehr viel einfacher, die Identität eines anderen anzunehmen. Viele Dinge, an denen ich interessiert bin, sind heute nicht mehr ohne weiteres machbar, auch deshalb spielen viele meiner Bücher in der Vergangenheit. Man hat damit auch sehr viel mehr Material für Spannung, denn gehängt zu werden war ja sehr viel dramatischer als unsere heute übliche Gefängnisstrafe.

BR: Viele Ihrer Bücher handeln von Politikern, die ihre ganz eigenen Geheimnisse haben, glauben Sie, dass das wirklich so ist?

RG: Dafür gibt es ja auch zahlreiche Beispiele! Ja, ich bin überzeugt davon, obwohl viele Geheimnisse erst am Ende vieler Politikerkarrieren herauskommen.

BR: Sie wechseln häufig gegen Ende Ihrer Bücher ganz überraschend den Plot. Wie kreieren Sie diese für Sie typische Art der Spannung?

RG: Nun, ich fange einfach damit an, dass meine Charaktere beweisen wollen, dass das, was für die Wahrheit gehalten wird, auch tatsächlich passiert ist. In vielen Fällen ist der einzige Weg das zu erreichen, Druck auszuüben und zu schauen, was letzlich passiert. Denn mit einer solchen Taktik hat man nur selten langfristigen Erfolg.

BR: Können Sie sich bei der jetzigen Fülle Ihrer Bücher überhaupt noch alle Handlungen und Personen merken?

RG: Namen sind immer ein Problem, auch sie zu finden. Mir fallen Namen oft auf Friedhöfen auf.

BR: Und die Buchtitel suchen Sie selber aus?

RG: Ja, in Diskussion mit dem Herausgeber. Viele von ihnen sind im Englischen doppeldeutig, leider kann man das bei der Übersetzung nicht herausstellen.

BR: Mr. Goddard, vielen Dank für das Gespräch!

 

Eine Bibliographie der Romane Robert Goddards finden Sie auf der Goddard-Seite in den Autoren-Infos.

 

© Bianca Reineke, 2005

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen