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"Jetzt schau her"

Der letzte Brenner-Krimi von Wolf Haas. Von Hans Schill

 

Das ewige Leben Aus der Flut an monatlichen Krimiveröffentlichungen ragt ja letztlich nur weniges heraus, das in irgendeiner Form außergewöhnlich wäre. Der Kriminalroman ist längst ein konservatives Genre, dem es zwar gelingt, immer wieder neue Inhalte aufzunehmen, das aber formal seit Hammetts Innovation der "Camera eye"-Erzählperspektive keine wesentlichen Veränderungen mehr erlebt hat. Es ist im Gegenteil gerade die geradlinige, realistische Schreibweise, die den Krimi (ähnlich wie die Science Fiction) zum Massenphänomen gemacht hat. Zu den formalen Ausnahmeerscheinungen im Genre gehört mit Sicherheit der Österreicher Wolf Haas. Haas, studierter Linguist und ehemaliger Werbe-Texter, schreibt seit 1996 an seiner Serie um Privatdetektiv Simon Brenner, und nun ist der sechste und letzte Band erschienen. Brenner, der einstige Polizei-Inspektor und jetzige rast- und heimatlose Ermittler, ist zunächst eine ziemlich klassische Figur: Etwas trottelig, melancholisch, untersetzt und mit typischer 68er-Vergangenheit. Jeder Roman der Serie spielt in einer anderen Gegend Österreichs, und diesmal verschlägt es Brenner in seine Heimatstadt Graz. Dort holt ihn seine Jugend ein: Aschenbrenner, Irrsiegler, Köck und Brenner selbst besuchten in den frühen Siebzigern zusammen die Polizeischule, umgarnten die selbe Frau und raubten, quasi um ihr polizeiliches Schulwissen zu testen, eine Bankfiliale aus. Das ging schief und einer von ihnen starb auf der kopflosen Flucht. Kaum ist Brenner 30 Jahre später nach Graz zurückgekehrt, findet er sich mit einem Kopfschuss im Spital wieder und ist überzeugt, Aschenbrenner, heute Grazer Kripochef, wolle ihn aus dem Weg räumen. Es beginnt eine vertrackte Story um Polizeikorruption, Drogenmafia, Hand lesende Zigeuner, eine Grazer Bürgerwehr und Jimi Hendrix.

Nicht aber dieses Geschehen steht im Zentrum des Krimis und auch nicht Detektiv Brenner, die eigentliche, vielmehr, die offensichtliche Hauptfigur ist die Erzählinstanz. Deren höchst eigenwillige Mischung aus Kunst- und Umgangssprache macht die Außergewöhnlichkeit von Haas' Romanen aus. Eine Sprache, die stark geprägt ist vom Österreichischen und die Bücher mit ätzendem, sarkastischem Witz imprägniert. Permanent wendet sich der Erzähler an den Leser, spricht ihn in idiomatischen Phrasen wie: "nein, jetzt schau her", "aber jetzt pass auf" oder "ja, was glaubst du" immer wieder direkt an. Sätze brechen häufig ab oder sind unvollständig, oft fehlen die Verben. Da dieser Erzähler und sein eigentümlicher Duktus so zentral sind, überwiegt denn auch sein Kommentar gegenüber der direkten Figurenrede weitgehend - was noch einmal ungewöhnlich für einen Kriminalroman ist. Der Plot verschwindet so beinahe, man schwelgt beim Lesen in der einzigartigen Sprache - was eigentlich vor sich geht, bleibt seltsam irrelevant. So stören denn auch Ungereimtheiten oder Banalitäten in der Geschichte nicht weiter.

Haas wurde in den letzten Jahren für seine Romane vom Feuilleton mit Lob nur so überschüttet und mehrmals mit dem Deutschen wie auch dem Burgdorfer Krimipreis ausgezeichnet. Stets hoben die Kritiker seinen ungewöhnlichen Stil hervor, und immer wieder konnte man in den Rezensionen der großen, bildungsbürgerlichen Zeitungen ("Die Zeit", "Die Woche", "Neue Zürcher Zeitung") lesen, dass man es hier zwar mit Krimis zu tun habe, aber mit solchen auf "hohem Niveau". Es ist denn auch nicht verwunderlich, spaltet Haas das eigentliche Krimi-Publikum in zwei Lager: Bedingungslose Anhänger und ebenso bedingungslose Verächter. Für mich stellt sich wieder einmal die Frage: Was wollen wir, Krimis mit literarischem Anspruch oder Bücher, die sich diesem Dünkel bewusst entziehen und sich außerhalb der so genannten "hohen Literatur" ansiedeln? Wie auch immer: Wolf Haas tut sicherlich gut daran, die Serie mit dem vorliegenden Band zu beenden. So originell sein Sprachduktus auch ist, er hat sich seit dem ersten Roman nicht verändert. Und seine Plots sind zu durchschnittlich, um für sich alleine bestehen zu können.

 

© Hans Schill, 2003

 

Bibliographie Wolf Haas:

Simon Brenner Romane:

"Auferstehung der Toten". rororo. Reinbek bei Hamburg 1996
"Der Knochenmann". rororo. Reinbek bei Hamburg 1997
"Komm, süßer Tod". rororo. Reinbek bei Hamburg 1998
"Silentium". rororo. Reinbek bei Hamburg 1999
"Wie die Tiere". rororo. Reinbek bei Hamburg 2001
"Das ewige Leben". Roman. Hoffmann & Campe. Hamburg 2003

Außerhalb der Serie:

"Ausgebremst". Der Krimi zur Formel 1. rororo. Reinbek bei Hamburg

 

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