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Altes Blut, verschworene Stadt

Gerd Friedrich Marenke über Penelope Williamsons Roman »Flammen im Wind«

 

Flammen im Wind New Orleans, Juli 1927. Am Tage dampft und brodelt und stinkt die Stadt unter Sonne, Jazz und Prohibition und in der Nacht wird der Rechtsanwalt Charles St. Claire mit einem Rohrmesser zu Tode gehackt, ertrinkt im eigenen Blut und seine Frau soll es gewesen sein. Remy Lelourie, Hollywood-Star mit aller Welt zu Füßen, streitet ab. Polizist Daman Rourke übernimmt den Fall und wir tauchen ab in eine uralte Saga aus Liebe und Tod, Verschwörung und offenen Rechnungen. Und alles ist verstrickt, verwoben, über Kreuz mit der ungeheuerlichen, immensen Stadt am Mississippi, man kann sie riechen durch die Zeilen wie Absinth mit Koks, schmeckt den "echten Scotch" in den fauligen Sackgassen-Speakeasies, hört Mulikarren über nassen Kopfstein krachen und sieht Sans Souci - hundert Jahre altes Herrenhaus, einst Zentrum einer Zuckerplantage, jetzt spätfeudaler Sitz des Gemeuchelten samt Witwe. Für die Ewigkeit gebaut mit seinen Säulen und Galerien, Zypressen im riesigen Garten und der alten Sklavenhütte, in die der Hausherr unter Anderem zum Grübeln ging und in der ihn sein frühes Los ereilte.

Lieutenant Rourke ermittelt in all den alten Wunden. Es sind nicht zuletzt seine eigenen, denn er hatte zehn Jahre zuvor ein Verhältnis mit Remy Lelourie, sie ließ ihn sitzen und er zog in den Großen Krieg, um den Tod zu suchen und Gefallen zu finden am Töten. Was blieb von der mesalliance zwischen dem kleinen irischstämmigen Bullen und der Dame feinsten kreolischen Bluts ist eine hochmagnetische, hochelektrische Anziehung, der beide ausgeliefert sind wie der Sucht zum Spiel. Mindestens Rourke weiß, dass er um ein Feuer tanzt, in das sie ihn - weinend vielleicht, aber ohne mit der Wimper zu zucken - stoßen kann.

Die Mächte des Gewesenen ziehen sich durch den Roman wie ein blutiger Draht: Neid, Stolz, Ehrgeiz und Gier höhlen die Menschen aus bis zur völligen Leere. Nicht einmal die Ausplünderung der schwarzen Sklaven scheint mehr richtig zu klappen: die für eine ordentliche "Rassentrennung" zwingende Ausgrenzung misslingt aus Fleischeslust. Was hilft es da, wenn "die Nigger" in der Straßenbahn hinten sitzen müssen.

Treibende Kraft in diesem (selbst-) zerstörerischen Spiel ist "la famille". Große Geheimnisse werden über Generationen gehütet, Mama entscheidet alles, weiß alles, verläßt nur noch sonntags zum Kirchgang das Haus, seit der Gatte im Duell fiel. Kein Kind, irrtümlich oder in falschem Eifer gezeugt, dessen Geist nicht durch die alten Häuser streift, seit es verschwinden musste - sei es vor oder nach der Geburt. Wer will schon in Schande leben. Und schweigen wir von dem Lüstling, der die kleine Schwester seiner Frau verführt. Schweigen, dass nicht nach außen dringt, nach New Orleans hinaus, wo schließlich alle irgendwie miteinander verwandt sind. Man hält dicht, den Deckel drauf, doch einmal platzt der Kragen, wenn das Schwein den Bogen überspannt.

Penelope Williamson hat also ihren ersten Kriminalroman vorgelegt, nachdem sie durch einige Bestseller im Romanzenformat einen Namen gemacht hat. Vielleicht ist es das, was dem Buch letztlich zum Verhängnis wird. Sie schreibt gut und erzählt zunächst spannend und kenntnisreich. Der Plot, die Personen und die Stadt sind untrennbar und es geht flott voran. Dann aber bleibt die Geschichte hängen an der neu erwachenden Liebe - oder was immer das sein soll - zwischen dem Bullen und der Witwe. Man kann sich das ganze allzu gut als Film vorstellen: Remy, hilflos und hintertrieben, blickt durch den Weichzeichner auf zu ihrem Daman, der sie doch retten soll oder töten oder lieben jetzt und immerdar. Das ist zuviel.

Warum das Buch "Flammen im Wind" heißt, habe ich nicht heraus bekommen. Der Originaltitel lautet "Mortal Sins", was deutlich mehr Sinn ergibt. Wahrscheinlich soll kurz vor dem Kauf etwas assoziiert werden, in dem "Scarlett O'Hara" vorkommt.

 

P.S.: Hier noch ein Tipp für Leute, die gern Radio im Internet hören und sich für New Orleans und Umgebung interessieren: www.kbon.com.

 

© Gerd Friedrich Marenke, 2002

 

Penelope Williamson: Flammen im Wind. (Mortal Sins, 2000). Roman. Aus dem Amerikanischen von Gabriele Haefs. Frankfurt/M.: Krüger, 2002, gebunden, 512 S., 22.90 Euro (D).

 

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