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Ein Schiff im Kampf gegen Hitler

Pieke Biermann über den historischen Spionagethriller »Die Stunde des Wolfs« von Alan Furst

 

Die Stunde des Wolfs Die Noordendam ist ein 20 Jahre alter Tramp-Frachter unter niederländischer Flagge. Eric Mathias de Haan, ihr Kapitän, wäre gern Offizier der niederländischen Marine geworden, stattdessen schippert er mit Fracht aller Art für die Hyperion Lijn durch die Meere. Bis ihn am 30.April 1941 ein gewisser Mijnheer Marius Hoek ins Hinterzimmer eines Restaurants im Souk von Tanger bestellt. Offiziell zum Diner. Aber die drei anwesenden Herren und die eine Dame sind in Wirklichkeit ein geheimer Außenposten der Königlichen Seestreitkräfte der Niederlande, und de Haan ist am Ende des Abends Korvettenkapitän derselben und sein Schiff ein Schräubchen im Kampf gegen Hitler.

Auch in Alan Fursts achtem "historischen Spionagethriller" (seine eigene Bezeichnung) geht es wieder um seine erzählerische Obsession: das Europa zwischen 1933 und 1945. Krieg, Geheimdienste, die düsteren, verwickelten Kraftlinien des alten Kontinents und Menschen, die in sie hineingezogen werden und darin glänzen oder umkommen. Zaudernde und trotzdem pragmatische Helden.

Aber diesmal ist das magische Kraftzentrum nicht Paris und auch keine andere, mitteleuropäische Metropole - "Dark Voyage", wie der Roman im Original heißt, ist ein Seeroman. Die Noordenham wird umgewidmet in eine Santa Rosa, die unter der neutralen Flagge Spaniens unterwegs sein kann. Sie bringt britische Offiziere zu geheimen Kommandoeinsätzen nach Tunesien und Munition für die britischen Einheiten nach Kreta, mal völlig allein, mal im Convoy, vorbei an deutschen U-Booten und Luftaufklärern.

Im letzten Kapitel schleicht sie sich nachts durch die Ostsee, an Bord LKWs mit einer kompletten Anlage für eine geheime britische U-Boot-Ortungsstation. An Bord außerdem spanische Republikaner, ein polnischer Marineoffizier, eine bildschöne russische Journalistin, ein ägyptischer Funker, ein ukrainischer Jude, deutsche Widerständler und sonstige Flüchtlinge. Auf der Rückfahrt wird der alte Kahn von einem deutschen Minensuchboot aufgebracht. Es ist der Tag vor dem Überfall auf die Sowjetunion.

Entgegen der Verlagswerbung ist dieser neue Roman leider weder "fesselnd wie Der Dritte Mann" noch "atmosphärisch wie Casablanca". Alan Furst wirkt hier wie "ausgeschrieben", als hätte er eigentlich keinen wirklichen Stoff für Plot und Figuren, aber noch eine Menge Zettelkästen mit Details über Geräte, Routen, Geschichte. Von der typisch Furstschen sprachlichen Dichte und Eigenheit ist nichts zu spüren. Aber das mag an der Übersetzung liegen.

Vermutlich sind die meisten maritimen Fachbegriffe korrekt nachgesehen worden. Aber Gin und Genever zum Beispiel sind einfach zweierlei, Villa Cisneros ist kein Haus, sondern eine Stadt, auf Deutsch ist auch niemand "in seinen frühen Zwanzigern", sondern schlicht "Anfang zwanzig", man "sieht" nicht jemanden, wenn man mit ihm dann in einen Dialog tritt: man "trifft" ihn. Wer Englisch spricht, kann aus fast jedem Satz Glied für Glied rekonstruieren, wie er im Original gebaut ist.

Kurz, das Ganze klingt wie eine Rohübersetzung in diesem schlechten bis falschen Deutsch, an das wir uns trotz täglicher Berieselung durch synchronisierte US-TV-Serien nicht gewöhnen mögen. Und das auch ein nicht ganz so grandioser Furst nicht verdient hat.

 

Alan Furst: Die Stunde des Wolfs. (Dark Voyage, 2004). Roman. Aus dem Englischen von Anke und Eberhard Kreutzer. Deutsche Erstausgabe. München: Blessing, 2005, gebunden mit Schutzumschlag, 350 S., 19.90 Euro (D)

 

© Pieke Biermann, 2005
(Deutschlandradio, 18.08.2005)

 

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