kaliber .38 - krimis im internet

 

Krimi-(Vor-)Auslese 11/2019

 

Der Fuchs Der Herbst zieht durchs Land, die Tage sind kurz, das Licht trüb, die Luft feucht und kalt. Es gibt doch kein besseres Ambiente für Polit- und Spionage-Thriller - und davon hat der November einiges zu bieten. Der Fuchs etwa von Fredrick Forsyth, der sich für seinen neuen Roman fünf Jahre Zeit ließ (Bertelsmann, aus dem Englischen von Rainer Schmidt). Ob sich das Warten gelohnt hat? Forsyth erzählt von einem Computer-Nerd, "ein 18-jähriger Junge mit einem glühenden Verstand", der die komplexesten Computer-Sicherheitssysteme der Welt hackt und Massenvernichtungswaffen nach Belieben manipulieren kann. Evident, dass sich ein schweißtreibender Wettlauf um den Jungen mit den besonderen Fähigkeiten, die nicht in falsche Hände geraten dürfen, entspinnt. Forsyth bekommt für den "Fuchs" artige Komplimente in der englischen Presse, aber ein verhaltenes Echo in den Lesermeinungen: Gerügt werden "oberflächliche Charaktere" und "vorhersehbar Wendungen", das Werk allenfalls "good for teenagers". Die Erwartungen also etwas runtergeschraubt, freuen wir uns auf ein sinnfreies November-Wochenende, an dem die dreihundert Seiten schnell runtergeschmökert sind.

 

Federball Deutlich mehr als Schmökerei erwarten wir von John le Carré, dem Altmeister der gepflegten Spionage- und Politthriller. "Agent Running in the Field" heisst sein aktueller Roman im Original, der Ullstein Verlag hat dem Buch den spröden Titel Federball gegeben (übersetzt vom großartigen Peter Torberg). "Populismus, Datenmissbrauch und Fake News - was tun, wenn die Welt plötzlich in Flammen steht?", so die Frage, die als Klammer über dem Roman steht (okay, aber es muss doch nicht jedes Bild gerade hängen!). Hauptfigur ist der englische Spion Nat, der seine besten Tage deutlich hinter sich hat, und einen letzten Auftrag erfüllen soll. Zur Entspannung spielt Nat gerne Badminton - und das nicht nur mit guten Freunden. Wir stellen uns ein auf erfrischend altmodisch-intelligente Lektüre. Parallel zum neuen Roman "Federball" kommt Ullstein mit einer schön gestalteten Neu-Ausgabe der George-Smiley-Romane - vielleicht ein willkommener Anlass , um sich mit le Carrés Werk - und mit gut 50 Jahren Zeit- und Weltgeschichte - zu beschäftigen.

 

Das Los, das man zieht Mit Großem wartet der Insel Verlag auf, den man als Krimileser nicht unbedingt auf dem Radar hat: Vom Spanier Arturo Pérez-Reverte kommt der Roman Das Los, das man zieht (übersetzt von Petra Zickmann), der dritte Teil einer Trilogie um den charmanten und gutaussehenden, zynischen und moralfreien Spion Lorenzo Falcó, der sich - bar jeder politischer Überzeugung - im Spanischen Bürgerkrieg auf beiden Seiten verdingt. Im Mai 1937 reist Falcó für eine gefährliche Mission nach Paris, wo er zwischen Galerien und Ateliers, Bars und Varietés Kontakt zu Picasso herstellen und den Maler an der Vollendung des Gemäldes "Guernica" hindern soll. Falcó liebt die Gefahr - und die Frauen, die auch in diesem Buch sein Schicksal mitbestimmen werden. Wir freuen uns auf richtig Großes Kino, das deutlich mehr ist als ein Breitwand-Schinken vor historischem Setting (aber 20.99 Euro für die eBook-Ausgabe sind ein Hammer-Preis!).

 

Federball Neues von Ian Rankin, einem der erfolgreichsten britischen Krimiautoren: Ein Haus voller Lügen heisst der aktuelle Roman der langjährigen Reihe um Detective Inspector John Rebus aus dem schottischen Edinburgh (Goldmann, aus dem Englischen von Conny Lösch). Rebus, der seinen ersten Auftritt 1987 hatte und jetzt nach dreißig Jahren literarischer Ermittlerarbeit im wohlverdienten Ruhestand, gerät selbst ins Visier: Gut Zehn Jahre nach seinem Verschwinden wird die Leiche eines Privatdetektivs gefunden, und es tauchen Zweifel auf, dass es bei den damaligen Ermittlungen mit rechten Dingen zuging. Von den Untersuchungen in den eigenen Reihen ist auch Rebus betroffen, und dem könnte die Wahrheit gewaltigen Schaden zufügen...

 

Mein Name ist Robicheaux Ebenfalls seit 1987 verfolgen wir Leben und Leiden von Dave Robicheaux - alkoholkranker Cop, Privatdetektiv, dann wieder Cop (und Bertreiber eines Angelshops und Bootsverleihs) aus den Bayous in Louisiana. Der Erfinder der Figur ist natürlich James Lee Burke, der in seinen Romanen Geschichten von alttestamentarischer Wucht mit poetischen Naturbeschreibungen verbindet wie kaum jemand sonst in der amerikanischen Literatur. Im neuen Buch Mein Name ist Robicheaux (Pendragon, aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger), wacht Robicheaux nach einer harten Nacht auf mit zerschundenen Händen und kann sich nicht mehr an den vergangenen Abend erinnern. Als er erfährt, dass der Mörder seiner Frau ermordet wurde, wird er ihm klar, dass er sich in prekärer Lage befindet - aus der Robicheaux sich nur befreien kann dank der Hilfe seines robusten Kumpels Clete Purcell und der Tochter Alafair (die buchstäblich vom Himmel gefallen war). Gewiss feiner Stoff - unklar ist nur, warum der Pendragon Verlag vier Roman der Reihe überspringt und dem deutschen Publikum vorenthält...

 

Anomalie - Nicht jedes Geheimnis darf ans Tageslicht Fast übersehen hätten wir Michael Rutgers Thriller Anomalie - Nicht jedes Geheimnis darf ans Tageslicht (Bastei Lübbe, aus dem Englischen von Winfried Czech). Das Buch erzählt von einem, nun, Blogger, der auf seiner Website ungelösten Rätseln der Wissenschaft nachspürt. Bei seinen Recherchen erfährt er von einer streng unter Verschluss gehaltenen Höhle im Grand Canyon, in der es - genau, vorhersehbar! - zu einem tödlichen Katz-und-Maus-Spiel kommt. Das klingt alles trashig und nicht wirklich fesselnd. Nur hieß Michael Rutger früher Michael Marshall (Droemer/Knaur) und davor Michael Marshall Smith (Wunderlich/Rowohlt) und hat unter diesen Namen teils grandiose, teils merkwürdig-enigmatische Romane aus dem Grenzbereich zwischen Krimi und Science Fiction publiziert. Hinter "Anomalie" könnte sich also ein kleines literarisches Schätzchen verbergen. Ruhig mal reinschauen!

 

Viele weitere Anregungen finden Sie in den Neuerscheinungen November 2019.

 

© j.c.schmidt, 2019

 

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